Naxos, der Mittelpunkt der kykladischen Inselwelt. Immer wieder dreht sich alles um sie. Die große, die schöne, die hässliche, die verwahrloste, die lässigste, die ehrlichste Insel der
Kykladen.
Es war Anfang der 1980er Jahre, als wir als Backpacker zum ersten Mal nach Naxos kamen. Wir waren jung und hatten kein Geld, und manch einer fand es geil, so billig wie möglich Urlaub zu machen.
Obwohl, „geil“ sagten wir damals noch nicht, das Wort hatte eine ganz andere, uns fremde Bedeutung.
Geschlafen haben wir damals in einem kleinen Zelt am Strand. Die Kykladen waren „in“, es sprach sich herum, dass die Griechen ein tolerantes Völkchen waren, das Strandschläfer und Freizeithippies
problemlos duldete, und einige Mitreisende machten sich so ziemlich einen Sport daraus, von den Griechen eingeladen zu werden und damit zu prahlen, wie billig doch hier das Leben sei.
Aber so waren wir nicht. Im Gegenteil, ich habe mich immer nur als Tourist gesehen, und habe versucht, die Gastfreundschaft der Griechen nicht auszunutzen. Denn wer nimmt, der muss auch
irgendwann einmal geben. Und ich denke, das sahen die Griechen damals genauso. Natürlich haben wir die recht preiswerten Tavernen- und Pensionspreise genossen. Aber wir wollten uns nicht abhängig
machen, haben auch damals gerne ein kleines Trinkgeld gegeben, was ab und an schon mal beschämt abgelehnt und uns hinterher getragen wurde.
Dennoch, der aufkeimende Tourismus wurde für Griechenland zum Wirtschaftsfaktor, und wir fanden, das war gut so.
Es war die Zeit, als es kaum Reiseinformationen über die Kykladen gab. Der „Velbinger, Griechenland – Reisetips die nicht jeder kennt“ von 1978 war der Erste (damals schrieb man „Tips“ noch mit
einem „p“), dann kam Eberhard Fohrer vom Michael Müller Verlag mit seinem „Handbuch zum Mittelpunkt der griechischen Inselwelt“ auf den Markt, und die "Bibel" – bis heute - ward geboren, Chapeau!
Gewandert wurde nach dem DuMont Wanderführer „Richtig Wandern – Kykladen“, u.a. von Klaus Bötig.
So spärlich wie die Informationen war dann auch die Anzahl der Reisenden, die sich ab jetzt häufig auf den Kykladen wiedertrafen, ja es entstanden auf einzelnen Inseln regelrecht Cliquen, die
ganze Tavernen für sich beanspruchten. Ich erinnere mich noch gut aber nicht gerne an eine Clique aus Berlin, die es schon damals vorzog, in der Hafenbucht von Donousa per Schlauchboot Wasserski
zu fahren, und das Meltemi von Nikos quasi zu besetzen. Von solchen Leuten halte ich mich fern, obwohl es natürlich wunderbar ist, alte Bekannte auf den Inseln wiederzusehen, mit denen man schon
mal die eine oder andere Tavernennacht durchgemacht hat.
Unser Ziel auf Naxos hieß immer „Agia Anna“. Denn bis dort fuhr schon damals der Bus. Endstation war an der Taverne „Paradiso“, wo der hagere Wirt tagsüber sein Feld bestellte und die Familie mit
den beiden Söhnen Vangelis und Adonis sich um die Strandschläfer-Gäste kümmerte. Man benutzte die sanitären Einrichtungen, konnte dort Frühstücken, zu Abend essen und anschließend so lange
saufen, bis man ins Zelt am Plakastrand fiel. Denn außer „Paridiso“ und „Nikos und Maria“ gab es noch keine Hotspots.
Etliche Urlaube haben wir so am Plakastrand verbracht, obwohl danach meistens in den neu erbauten Rooms hinter dem Paradiso oder nebendran. Dieses Mal Ende Mai haben wir das Paradiso seit Jahren
wieder aufgesucht. Vangelis (der Mann an der Bar) und Adonis (der Mann am Grill) haben uns wiedererkannt, sie machen auch heute noch ihren Job wie eh und je, und der Sohn von Adonis steht schon
in den Fußstapfen.
Ansonsten ist wenig übrig geblieben von eh und je.
Die Anreise erfolgt jetzt gerne per Superjet, Super Speed oder Blue Star, wenn nicht schon der Flieger ab Athen gebucht wurde.
Und die Chora von Naxos mit der Paralia wird mehr und mehr zum Touristenmagnet, schon Ende Mai ist am Abend recht viel los.
Der Bus fährt im 30 Min. Takt zum Plakastrand, bis Plaza Beach, hier ist ab Agia Anna und Paradiso mittlerweile fast alles zugebaut, eine Unterkunft reiht sich an die andere (gerne auch mit Pool), etliche Bars liegen entlang der Staubstraße, die Strände sind mit Liegen und Schirmen voll bewirtschaftet. Man muss schon recht weit fahren, um doch noch ein einsames Plätzchen zu finden. Aber ich will nicht meckern, es geht. Ganz weit draußen gibt es sie noch, die einfachen Unterkünfte, mit Tisch, Stuhl, Bett, Meerblick.
Und dann das unvergleichliche Meer, Strände kilometerlang.
Ja, hier kann man seine alte Liebe zu Naxos noch einmal aufleben lassen, für eine kurze Weile. Ende Mai wenigstens, die Uhr scheint zu ticken.