Das Wetter meint es nicht wirklich gut mit uns, Anfang Juni. Schon lange meiden wir den Mai als Reisezeit, weil er uns oft zu unbeständig war. Aber man steckt nicht drin, und so beginnt der Juni
in diesem Jahr auch nicht besser.
Eigentlich hätten wir ja unseren Aufenthalt am Manganari Strand verlängern wollen, denn drei Tage sind uns zu kurz zum Eingewöhnen. Außerdem bietet die Insel noch einige Ziele, die interessant
gewesen wären, vom Wandern ganz zu schweigen. Unsere Badetage müssen wir wegen aufkommender Gewitter und Temperaturen unter der 20 Grad Marke abbrechen, eine ordentliche Erkältung hat mich
erwischt. Auch ein Grund, in die Chora zu fahren, dort die Apotheke aufzusuchen, und im Hafen schon mal die Tickets für unsere Abfahrt zu besorgen.
Unser Tera-Jet soll morgen nach Plan um 11:55 h starten und um 12:40 h in Naxos sein. Eine gemütliche Abreisezeit, und Zeit genug, um dort die Skopelitis um 14:00 h zu erreichen. Hatten wir
jedenfalls gedacht. So kann man sich irren!
Die Tickets sind schnell besorgt, im Hafen ist einiges los, und manchmal habe ich den Eindruck, die Cosmote-Highspeeds fressen sich irgendwann mal gegenseitig auf.
Hafen hin oder her, in Wirklichkeit war ich natürlich heiß darauf zu sehen, was die berühmteste Palme der Kykladen auf dem Gipfelberg von Ios-Chora macht, denn die hatte ich schon 1981 im Visier.
Die Apotheke ist schnell gefunden, sie liegt quasi an der unteren Gasse wenn man von den Parkplätzen kommt, ganz in der Nähe der großen Evangelismos Kirche. Das Wetter hat sich zum Glück aufgeklärt, ein strahlend blauer Kykladenhimmel bietet bestes Kodak-Fotowetter. Aber die perfekten Postkartenbilder bekomme ich trotzdem nicht in den Kasten. Ios ist offenbar nicht so aalglatt wie Mykonos oder Folegandros. Immer hängen irgendwelche Stromkabel im Bild, parken an den unmöglichsten Stellen Autos, oder die gewohnten Kykladenstühle bestehen aus ehemaligen weißen, jetzt braun angemalten Plastikstühlen.
Also, an der Ästhetik müssen sie hier noch was machen. Aber wahrscheinlich ist es ihnen hier eh wurscht. Ios Chora ist vornehmlich auf jüngeres Publikum aus, das bei Tageslicht den Ort sowieso noch nie gesehen hat. Und so wirkt er jetzt am Vormittag auch fast ausgestorben. Das erste Kafenion am Platz macht aber nach wie vor noch einen ursprünglichen Eindruck, leichte Technoklänge schallen heraus, die junge Bedienung ist sehr freundlich, nur die sprichwörtlichen alten Männer, die stundenlang an ihrem griechischen Kaffee nippen, fehlen. Hier machen wir erst mal Pause.
Direkt nebenan liegt übrigens – etwas versteckt – das kleine Restaurant „Pithari“, das wir von unserem letzten Ios Besuch her kennen, und das sehr empfehlenswert war, heute Mittag leider geschlossen.
Der Weg zur Palme – und der dazu gehörigen Gremiotissa Kirche – ist gut ausgeschildert, er führt über die Hauptgasse vorbei an etlichen Klamottenläden und Bars, die jetzt im Sonnenlicht etwas fehlplatziert wirken.
Speisekarten lassen schon ahnen, mit welcher Klientel man es am Abend zu tun hat. Da mutet der Slogan „apla ellenika – einfach griechisch“ etwas befremdlich an, wenn Calzone mexicana mit Sangria serviert wird.
Kurz vor dem Hauptplatz zweigt der Weg nach links ab, wir kommen in einen Ortsteil, dort wo Ios nicht ganz so touristisch ist. Und auf den letzten Stufen wedelt uns dann die Palme entgegen. Mittlerweile gibt es sogar schon zwei davon, man hat offenbar für Nachschub gesorgt, falls mal was passieren sollte.
Der Ausblick ist phänomenal, das Städtchen und die Palme haben sich in den letzten Jahren entwickelt.
Ein schmaler Weg führt noch weiter nach oben, zu den drei Gipfelkapellen Agios Eleftherios, Agios Georgios und Agios Nikolaos. Höher geht’s nimmer, der Blick über die ganze Hafenbucht bis hinüber zum Gialos Strand lässt das Herz höher schlagen, während am Horizont Sikinos im Dunst verschwindet. Das ist schon mal eine Gipfel-SMS nach Stuttgart wert!
Wir treten die Fahrt zum Manganari mit einem Blick zurück vom Mühlenhügel an, grüßen noch einmal die Palmen und verbringen den Abend mit Adonis und seiner 4-Generationen-Familie im Restaurant bei Fava, inklusive Tanzeinlage.
Am nächsten Morgen überrascht uns dann der TeraJet von Seajets doch mit über einer Stunde Verspätung. Na, wenn das mal gut geht mit unserem Anschluss auf Naxos!
Aber bei dem wolkenverhangenen Himmel über Ios fällt uns der Abschied nicht schwer.