Es ist nicht die Sonne. Es ist nicht die Wärme.
Es ist die Zeit, und es ist der Wind, der über die Haut fährt. Das ist das was fehlte, viele Monate lang. Neue Inseln haben wir dieses Mal nicht im Programm, eher wollen wir irgendwie nach Corona
gucken, ob das alte Leben noch existiert, ob wirklich alles wieder ist wie früher auf den geliebten Kykladen. Neues muss da warten.
Viermal wurde unser gebuchter Flug nach Athen verschoben, zum Schluss ganz gecancelt, jetzt umgebucht von Köln direkt nach Santorini. Am Flughafen in Köln ist morgens um Fünf schon viel los, als
hätte es Corona nie gegeben, sieben Maschinen werden bei Eurowings gleichzeitig eingecheckt. Die administrativen Anforderungen für die Einreise sind hoch. PCR-Test erforderlich, PLF-Formular
ausgefüllt, Gesundheitserklärung auch, und dennoch gezittert, ob nicht doch noch ein falsch positiver zufällig angeordneter Antigentest bei der Einreise dem Ganzen ein frühes Ende bereiten
sollte, denn der aktuelle Inzidenzwert für Griechenland liegt bei knapp über 100, allerdings zeichnet sich ein Abwärtstrend ab. Noch ist Griechenland Anfang Juni Risikogebiet. Die Maschine ist
knallvoll, aber erstaunlich diszipliniert, als hätten alle diese Reise lange ersehnt. Und Glück muss man haben, im neu renovierten Santorini Airport hat das Personal Besseres zu tun, wir werden
ohne Tests durchgelassen.
Der Taxifahrer zum alten Hafen Athinios (der neue Hafen nahe dem Flughafen wird lange nicht fertig werden) verlangt 30 Euro, immerhin sind es 11 Kilometer. Jetzt erstmal Pause, warten auf den
Seajet nach Folegandros. Eigentlich hatten wir über Athen kommend nur eine Mikres-Kyklades-Tour geplant, aber der Start über Santorini legt einen mehrtägigen Eingewöhnungsstopp auf Folegandros
nahe.
So lässt es sich aushalten, hier am Kai, der erste echte Choriatiki, das erste Saganaki, bei einem netten Gespräch mit zufällig mitfliegenden Kölnern vergeht die stundenlange Wartezeit wie im
Fluge. Und Hafenatmosphäre hat schon immer etwas Sehnsuchtsvolles.
Folegandros ist mit dem Seajet schnell erreicht, die dort zusteigenden Passagiere werden offenbar gründlich kontrolliert, Kostas erwartet uns schon, wir fahren hoch in die Chora und beziehen unserer Unterkunft. Anders als in den Jahren zuvor im Juni hat die Saison jetzt noch nicht begonnen, die Anstreicher sind noch bei der Arbeit, das Dorf liegt im Dornröschenschlaf, die Kinder haben Platz für Ballspiele auf der Platía, viele Restaurants sind noch geschlossen, die geöffneten haben noch Zeit für kleine Feierlichkeiten, Luftballons deuten auf einen Kindergeburtstag, Super- und Minimärkte sichern die Versorgung, jedoch hat der Bäcker in diesem Jahr wohl aufgegeben, die Backstube ist leergeräumt, ein Nachfolger nicht in Sicht. Sehr schade für die Einheimischen. Eine neue Konditorei gibt es zwar, aber Brot haben sie nicht, wir begnügen uns mit abgepacktem Graubrot aus dem Supermarkt, oder horten – wie zu alten Zeiten – das Brot vom Abendtisch fürs Frühstück. Nur der Bäcker in Ano Meria hat geöffnet, und manch ein Tourist fährt täglich mit seinem Mietauto die Strecke, um sich die zwei Frühstücksbrötchen zu besorgen.
Auch die Inselapotheke hatte die Bevölkerung im Winter im Stich gelassen, und das zu Corona-Lockdown-Zeiten. Zum Glück eröffnet gerade jetzt eine neue gut sortierte Pharmakio mitten im Dorf.
Und – wie wir leider erfahren müssen – ist Takis, der Wirt unserer Lieblingstaverne I Pounta im vergangenen Herbst verstorben, wir waren freundschaftlich verbunden, seine Frau Lisbet erzählt uns von seinen letzten Tagen. Natürlich ist die Taverne zur Zeit geschlossen, die Kinder sollen sie demnächst weiter führen. Sillypitiria.
Ein kleiner Rundgang durchs Dorf stimmt uns ein in die Ruhe und gelassene Atmosphäre, die unseren Aufenthalt so angenehm werden lässt.
Am Abend zeigt der Ort dann doch eine gewisse Lebendigkeit, Uta eröffnet gerade ihr „To Sik“, Stratos hat in seinem „arexe“ schon einige Seglercrews zu bedienen, aus Israel kommen sie, aus
Frankreich, Deutschland und Rumänien. Die Engländer fehlen, und die Amerikaner und Asiaten von Übersee. Mit der Maskenpflicht nimmt man es nicht so genau, mit der maximal erlaubten Anzahl pro
Tisch auch nicht, die Insel ist durchgeimpft, Corona fast vergessen.
Neu für uns ist das Restaurant „Ta Kouroupia“, sehr stilvoll, das auch ein paar Tische auf der Platía bewirtschaftet. Und natürlich ist der „Kritikos“ nach wie vor sehr beliebt, während die
Pita-Bude „Souvlaki Club“ noch sehnsüchtig auf Kunden wartet. Ja, die Abende vergehen schnell, hier oben in der Chora von Folegandros.
Ein wenig bedeckt zeigt sich der Himmel am nächsten Morgen, die Temperaturen noch etwas verhalten, Badewetter ist das nicht, das Meer hat knappe 20 Grad, so wie die Luft zur Zeit, Erholung für
die Lunge. Aber der Wind hält sich zurück, und so genießen wir das ideale Wanderwetter. Das Panoramabild zeigt den Turm der Panagia-Kirche noch immer eingerüstet, seit ein paar Jahren
schon. Die Vegetation ist nicht sehr grün, viel geregnet hat es diesmal offenbar nicht im Winter.
Doch schnell kommt die Sonne wieder hervor und entfaltet ihre wahre Kraft, das Blau-Weiß überwiegt.
Schon mehrfach hatten wir überlegt, unser Quartier vielleicht einmal nach Karavostasis, also in den Hafenort zu verlegen, um ein wenig näher am Meer zu wohnen und den immer höher werdenden Übernachtungspreisen in Chora zu entgehen. Ein Streifzug durch den Ort – falls man ihn als Ort bezeichnen kann – hält uns jedoch weiter davon ab. Schön ist es hier nicht. Sicher, die Strände in der Umgebung sind sehr reizvoll, wie der Vardia- oder der Vitsentzou Beach, die Küste in ihren Farben malerisch, aber die Infrastruktur des Ortes hält da nicht mit, und auch die „Bäckerei“ bietet kein Brot.
Am Anleger hat man nun endlich einen Schattenplatz für Wartende gebaut, aber die Bootsstege für die Fischer wirken noch immer sehr improvisiert. Da zieht es uns dann doch wieder nach oben in die Chora, und wir warten einfach ab, ob der Kirchturm noch irgendwann mal von seinem Gerüst befreit sein wird, vielleicht ja schon im nächsten Jahr, wenn wir wiederkommen.
Und natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, mit all den Schaulustigen den Sonnenuntergang zu feiern, der gerade auf Folegandros besonders spektakulär erscheint.