SIKINOS - SEPTEMBER 2024

Als hätte ich es nicht geahnt, die gesamte Planung ist dahin, die Insel ist einfach schwer erreichbar. Monatelang vorher hatte ich meine Traumunterkunft dort gebucht, ohne zu wissen an welchem Wochentag Ende September Sikinos von Folegandros aus angefahren wird. Die Fährpläne der Artemis, Solomos und Maistros kommen einfach zu spät im Jahr heraus. Da ist es doch einfacher, Inseln wie Naxos, Paros oder Mykonos zu buchen. Nun ist es passiert, der Vermieter auf Sikinos zum Glück flexibel, und so landen wir dennoch einen Tag früher glücklich auf der Insel. Aber machen wir uns nichts vor: Sikinos hat einfach nichts zu bieten, was nur annähernd an die Bedürfnisse normaler Touristen heranreicht. Zu allem Überfluss teilt uns unser Vermieter bei der Ankunft mit, dass unsere gebuchte Unterkunft leider nicht bewohnbar sei, Wasserschaden, und ob wir daher auf eine andere etwas größere Unterkunft ausweichen könnten? Diese entpuppt sich zwar als deutlich größer und luxuriöser, zähneknirschend nehmen wir das Angebot an, jedoch ist das Haus nicht einmal mit dem Auto erreichbar, zu Fuß am Uferpfad entlang ist es fast das letzte Haus der Reihe. Außer Wohnzimmer, Schlafzimmer und Einbauküche ist da nichts, na gut, wenn man die zwei Balkone mal übersieht. Die offenbaren allerdings einen direkten Blick auf den Fähranlegen, so dass fast jedes Schiff unseren schönen Blick ruiniert. Und um etwaige Anfragen vorweg zu nehmen: buchbar ist es für 2025 nicht mehr, ausgebucht.

Unser erster Gang führt uns durch Alopronia und zu Flora, die in ihrem Supermarkt auch ein paar Autos vermietet – zur Zeit allerdings vergebens. Alle Autos sind weg, sie hat ja nur sechs Stück, und niemand weiß, wann ein Fahrzeug wieder frei sein wird, und das Ende September! Auch das minutenlange Wälzen in ihren Unterlagen gibt keinen Aufschluss. „Come after tomorrow, we will see…“ Auf Sikinos hat einfach keiner einen Plan. So geht es für uns wohl oder übel mit dem Bus hoch zur Chora, immerhin haben wir auf der Fahrt einen netten Kontakt, Gruß an Simone…;-)

Der Hauptort der Insel bietet uns ja nichts Neues, ein Bäcker, ein paar Cafés, ein Lebensmittelladen. Keine Boutiquen, keine Souvenierläden und auch nur zwei Restaurants, die abends geöffnet sind: das Kapari und das Steki Tou Garbi. Das war´s, für den Fall dass man gerne als einziger Gast in leeren Restaurants verweilt. Durch die malerischen Gassen zu streifen ist ja ganz nett, aber ist das urlaubsfüllend? Ein Gang hoch zu den alten Mühlen offenbart wenigstens einen Überblick über das Dorf und das immer blaue Meer. Die größten Veranstaltungen? Lokale Feste und vielleicht eine Tanzaufführung auf dem Dorfplatz. Aber nicht mehr im September. Und die freundlichen Einwohner antworten oft auf Griechisch wenn man sie anspricht, anstatt ihre Sprachkenntnisse in perfektem Englisch zu testen, was die Kommunikation auch nicht gerade erleichtert.

Und nebenan in Chorio ist noch weniger los, hier sehen wir keine Menschenseele, das Dorf ist wie ausgestorben.

Da lobe ich mir die Taverne Meltemi im Hafenort Alopronia, hier wird auch auf meine griechische Bestellung hin konsequent Englisch geantwortet, und erst am vierten Abend gelobt die sehr nette Bedienung, demnächst auch Griechisch mit mir zu sprechen. Dafür ist das Essen so „wie früher“, wie ich neulich in einem Griechenlandforum lesen durfte. Offenbar ein Fachbegriff für einfache schmackhafte Gerichte aus dem vorigen Jahrtausend. Die Anmutung des Lokals erinnert stark an das Gemälde Nighthawks von Edward Hopper von 1942, und genauso fühlt es sich auch an. Das Strandcafé Marconi steht dem allerdings in nichts nach, und das Fischlokal Thalassa hat leider seine Saison schon beendet.

Plötzlich gibt es dann doch ein Mietauto, und zwar vom Taxifahrer,  für 20 Euro pro Tag, cash auf die Hand. Die Touristendichte lässt Tag für Tag nach, und so können wir ungehemmt die menschenleeren kilometerlangen Wanderwege und die wenigen Badebuchten ansteuern.
Die historischen Stätten wie Episkopi hatten wir ja schon im letzten Jahr ausgiebig bewundert. Die naturbelassenen Strände sind sehr gepflegt, es gibt zwar keine Strandpromenaden am Agios Georgios Beach und am Dorfstrand, aber man hat die Anzahl der öffentlichen Sonnenschirme und Bänke deutlich erhöht, was allerdings die Besucherfrequenz nicht beeinträchtigt hat.

Tote Hose überall.

Selbst wenn wir nur wandern möchten, werden wir hier enttäuscht: Die Wege sind schmal, steil und oft schroff. Es fehlt an gut ausgebauten Wanderwegen. Zudem gibt es kaum Schilder oder Markierungen, die einem den Weg zu den besten Fotospots weisen. Stattdessen führen die Pfade einfach quer durch die Natur. Der Ausblick mag fantastisch sein, aber wer möchte die Anstrengung schon freiwillig auf sich nehmen?

Wenigstens hat man jetzt die Stichstraße zum Kloster Zoodochos Pigi asphaltiert, so dass wir nicht mehr vom Dorf aus hochsteigen müssen. Vom Agios Georgios Beach kommend geht es hinter dem Hubschrauberlandeplatz rechts ab. Ausgeschildert ist der Weg zum Glück nicht mehr, sonst würde ja jeder dort hochfahren, nicht nur der Papas und wir. Und so kommen die meisten Touristen doch noch zu Fuß herauf. Denn das Abendlicht und der Sonnenuntergang am Kloster sind wirklich die Highlights eines Sikinos Aufenthalts.

Die Insel wird in den Medien oft als friedlicher und authentischer Rückzugsort angepriesen, doch für den modernen Reisenden gibt es kaum unattraktivere Ziele. Diese Insel, abseits der Touristenströme und voll authentischer Kultur, ist wirklich das letzte, was sich jemand antun sollte, der einen geselligen unterhaltsamen Urlaub sucht. Deshalb werden wir also lieber bei den bekannten Hotspots bleiben, schippern mit der Artemis hinüber nach Ios, und helfen damit, Sikinos für immer vor dem Massentourismus zu bewahren.

RICHIS KYKLADENFIEBER