Richtet man sein Augenmerk bei einem Bummel durch die Marktstraßen von Parikiá einmal nicht auf die Auslagen der Souvenir- und Designerläden (Odos Georgiou Gravari Loxagou und Odos Loxagou Kortianou), sondern lässt seinen Blick etwas höher umherschweifen, so entdeckt man viele Marmordetails, die teilweise noch aus dem 16. Jahrhundert stammen und die von der Glanzzeit der Venezianer zeugen, welche die Insel damals beherrschten.
Der weíße Marmor von Paros ist weltberühmt, aus ihm entstand die Venus von Milo, und auch die restaurierten Säulen der Agios Konstantinos auf dem Kastrohügel sind heute noch sehenswert. Zum Sonnenuntergang ist hier ein sehr schöner Platz und der Marmor entfaltet sonnenbeschienen seine magische Wirkung.
Es sind die Details, die einem vielleicht erst auf den zweiten Blick auffallen, wie die Fenstereinfassungen,
Türfriese oder der Marmorbrunnen aus dem Jahr 1777.
Wir machen uns auf den Weg, um die alten Stollen zu besichtigen, in denen bei Maráthi der Marmor früher abgebaut wurde. Denn anders als z.B. auf Naxos kam der beste weiße Parosmarmor nicht aus dem Tagebau, sondern ganz tief unten aus dem Berg.
Ein neuer marmorgepflasterter Weg führt uns in das dann doch etwas unwegsame Gelände. Die Stolleneingänge sind etwas halbherzig umzäunt, einige Schlupflöcher ermöglichen den direkten Zugang zu den Stolleneingängen. Etliche Bruchsteinruinen zeugen noch von den französischen Aktivitäten, als der Marmor für das Grabmal von Napoleon hier gefördert wurde. So schlendern wir durch die marmorbesprenkelte Landschaft zurück, und unsere Augen bleiben auf einer etwas ungewöhnlichen Marmorbüste hängen, die wir in dieser Landschaft eigentlich nicht erwartet hätten.
Es ist ein Skulpturenpark, der seitlich des Marmorfußweges entstanden ist. Wie etwas abgestellt wirken die sechs Kunstwerke schon, aber ein genauerer Blick lohnt sich allemal.
Die Skulpturen sind im Juni 2011 an dieser Stelle anlässlich eines Bildhauer-Workshops entstanden. Die Hinweise vor Ort sind recht dürftig, das Internet weiß mehr:
Workshop Paria Lithos
Zitat parosweb.com:
"Die sechs Bildhauer Vassilis Vassili, Christo Lazaraki, Andrea Loli, Christo Rigana, Kyriako Roko und Dimitri Skalkoto erschaffen die Skulpturen während des gesamten Monats Juni 2011. Jeder
Künstler produziert seine Skulptur, die dauerhaft im Eingangsbereich des alten Marmor-Steinbruchs stehen wird. Der Workshop wird von Theodoros Papagianis, Professor an der Athens School of Fine
Arts koordiniert."
Mein Lieblingsobjekt sind die zwei ineinander verschachtelten Pappkartons aus Marmor. Jedes noch so kleinste Detail der Wellpappe ist realistisch wiedergegeben.
Auch in der marmorgeschwängerten Umgebung ist das Thema Marmor noch aktuell. So entdecken wir hier bei Maráthi einen Marmorbetrieb, der auch heute noch die unterschiedlichsten Marmorarten künstlerisch und handwerklich be- und verarbeitet.
Soeben wird ein großer Marmorblock verladen, vielleicht ein lohnendes Fotomotiv. Emmanuel Fokianos winkt mich freundlich heran, ob ich denn Künstler sei, der Marmor kaufen wolle, während sein
Kranführer Präzisionsarbeit leistet.
Fast hätte ich seine Frage bejaht, aber der Gedanke an die Kosten für das Übergepäck beim Rückflug hat das dann doch gerade noch verhindert.
Mir rutscht das Herz in die Hose: Der Kranführer ist sein kleiner Sohn Adonis, der mit Geschick den großen Marmorblock aus Naxos navigiert, und dem sein Vater vertraut, Teamwork von Vater und
Sohn.
Nach dem Motto: Adonis spielt mit dem Kran.
Nachtrag Juni 2016:
Den kleinen Marmorskulpturenpark bei Maráthi gibt es leider nicht mehr. Die Marmorskulpturen stehen verstreut auf den verschiedensten Plätzen in Parikia. Manche sehen dort aus wie bestellt und
nicht abgeholt.