Naxos, was ist nur aus dir geworden? „Warum hast du nichts gelernt? Und wie du wieder aussiehst! Und dann noch dieser Lärm! Wo soll das alles enden, wir machen uns doch Sorgen. Denk an deine
Zukunft, …das will doch keiner hören!“ So oder so ähnlich würde Farin Urlaub singen, wenn er Naxos heute erleben würde, denke ich, als wir von Amorgos kommend für ein Wochenende mal wieder die
größte Kykladeninsel aufsuchen.
Schon bei unserer Ankunft auf Naxos, als wir - mit dem HighSpeed4 von Piräus kommend - auf die Skopelits nach Iraklia warteten, hatte ich ja noch etwas Zeit und dachte, es wäre vielleicht schön,
die Autovermieterin meines Vertrauens aufzusuchen, und ihr schon mal anzukündigen, dass wir an diesem bestimmten Wochenende in drei Wochen ein Auto für drei Tage brauchen werden, so wie immer,
wenn wir dort verweilen. Allerdings hatte ich mich sonst noch nie vorher angekündigt, aber immer spontan ein schönes Fahrzeug zur Miete bekommen, das war kein Problem. Komischerweise war es
dieses Mal anders. Maria – so heißt sie – raufte sich sprichwörtlich die Haare. Ein Auto an diesem Wochenende Ende Juni? Ihr gesamter Terminkalender war mit Notizen und Post-it Zetteln voll. Da
schien nichts mehr zu gehen. Ich war erstaunt. Overtourism jetzt schon im Juni? Ob denn dieses Wochenende etwas Besonderes los sei? Sie wusste es auch nicht, aber nach einiger Recherche war klar:
an diesem Wochenende war das griechische Pfingsten. Das war mir völlig durchgegangen. Ganz oben in der linken Ecke des Terminkalenders war dann doch noch ein Plätzchen frei, und etwas zögerlich
sagte sie: Endaxi. Und so ist es dann auch. Irgendein Auto hatte sie noch aufgetrieben, gut, es war nicht mehr das jüngste, vielleicht so zwölf Jahre alt, ein alter Cheverolet Spark – der
Nachfolger des Matiz, wen es interessiert, aber ganz o.k. soweit für 30,- pro Tag. Abgabe dann wie gewohnt am Flughafen von Naxos, einfach parken, Schlüssel unter die Fußmatte und ab dafür. So
machen wir das.
Unser Zimmer haben wir dieses Mal nicht am Plaka-Strand gebucht, der schien uns inzwischen völlig touristifiziert, zu voll und ungemütlich zu sein, sondern wir sind weiter südlich nach Kastraki ausgewichen, in der Annahme, dass es dort noch etwas ursprünglicher sei, vielleicht so wie Plaka vor etlichen Jahren – ich will nicht sagen authentischer. Das Zimmer sollte auch einen schönen Balkon mit Meerblick haben, aber leider ist das Foto aus dem Internetauftritt wohl auch schon etwas älter. Die Realität sieht anders aus, der schöne Meerblick ist jetzt zugebaut. Und das ist das Problem. Die ganze Gegend scheint ein lukratives Neubaugebiet zu sein, Rohbauten und Neubauruinen wohin man schaut. Schön ist das nicht, zwar herrscht wohl jetzt Ende Juni schon eine Art Baustopp, der zumindest teilweise eingehalten wird, aber der Anblick der vielen Baustellen entspricht nicht meiner Vorstellung von einer schönen Urlaubsregion.
Dennoch, man muss das Beste daraus machen. Die Strände in dieser Gegend sind immer noch sehr schön, teilweise etwas wild, nicht so voll, was auch daran liegt, dass oft Steinplatten (Plakes) im Meer den Zugang erschweren, jedoch die nahe gelegenen Kastraki- und Glyfada-Strände sind mit die besten auf ganz Naxos, wenn es nicht noch weiter südlich Richtung Pyrgaki gehen soll.
Und kulinarisch werden wir auch hier in dieser Ecke gut versorgt, das Apolafsis an der Straße nach Alyko und besonders die Paradise Taverne in Kastraki gefallen uns sehr.
Etwas schockierender ist jedoch dann ein kleiner Abstecher nach Mikri Vikla, wo wir sehen, wie voll wirklich Naxos jetzt geworden ist. Der sonst so leere Sahara-Strand und die Mikri Vikla Taverne dort sind schon jetzt am Vormittag gut besucht, Autos parken überall am Beach, die Initiative „Rettet die Strände von Naxos - ΣΩΣΤΕ ΤΙΣ ΠΑΡΑΛΙΕΣ ΤΗΣ ΝΑΞΟΥ“ kämpft vergebens dagegen.
Auch der Abstecher nach Naxos-Chora zeigt es uns: die Parkplätze sind schon tagsüber rappelvoll, und auf der Paralia herrscht reges Treiben. Was uns natürlich nicht daran hindert, einen kleinen Bummel durch die alte Marktstraße zu machen.
Bei dieser Touristendichte wundert es uns am Abend nicht, dass plötzlich aus unserer Dusche kein Wasser mehr tröpfelt, denn auch auf Naxos, wo es dieses Jahr im Winter nicht geregnet hat, scheint
die Wasserversorgung schwierig zu sein. Naxos, eine Insel, die eine der grünsten Kykladen ist, hat in der Vergangenheit selten Wasserprobleme gehabt. Als andere Inseln ihr Trinkwasser teuer aus
Attika anschiffen ließen, war Naxos immer Selbstversorger. Das ist heute anders, auch Naxos ist jetzt auf Meerwasserentsalzungsanlagen angewiesen, eine Trinkwassergewinnung, die teuer erkauft
werden muss. Die Frage ist: Wieviel Tourismus verkraften die Inseln in Zukunft noch? Der Bürgermeister von Naxos, Dimitris Lianos, sieht die Sache so:
„In den letzten Jahren gab es einen Anstieg der Touristenankünfte und eine Verlängerung der Touristensaison. Naxos kann aufgrund seiner besonderen Geomorphologie, seiner großen Fläche, seiner
langen Küste und mehreren Siedlungen viele Besucher beherbergen… Die Besucher sind über die ganze Insel verteilt und tragen so zur wirtschaftlichen Unterstützung der örtlichen Gemeinschaft bei.
Die institutionelle Rolle der Kommunalverwaltung sollte erweitert werden, so dass sie einen entscheidenden Beitrag zur Steuerung der Tourismusentwicklung und der erforderlichen Infrastruktur
leisten kann, wobei die Grundvoraussetzung natürlich die Bereitstellung der erforderlichen Finanzinstrumente durch die Zentralverwaltung ist.
Abschließend bin ich der Meinung, dass wir den Tourismus nicht verteufeln sollten, da er entscheidend zur Entwicklung und zum Wohlergehen der lokalen Gesellschaften beiträgt, ein wichtiger Anreiz
für die Inselbewohner ist, an ihrem Platz zu bleiben und die Abwanderung von Fachkräften auf allen sozialen Ebenen zu verhindern.“ Quelle: parapolitika.gr
Mit anderen Worten: Overtourism gerne, das bringt Geld in die Kassen!
Nicht etwa Einschränkung des Tourismus ist also das Ziel der Politiker, sondern die Erweiterung und der Ausbau der Infrastruktur durch die Kommunalverwaltung. Woher allerdings die fehlenden
Ressourcen kommen sollen, weiß kein Mensch. Man kann nur gespannt sein, wohin die Reise weiter geht, Spanien mit der Costa Brava oder Benidorm an den Costa Blanca sollten doch eigentlich
abschreckende Beispiele genug sein. Allerdings darf man nicht vergessen, dass auf den Kykladen der Übertourismus auf ca. zwei Monate im Jahr beschränkt ist, nämlich von Mitte Juli bis Mitte
September– im Gegensatz zu z.B. Gran Canaria, Mallorca oder auch Barcelona, wo das ganze Jahr über zu viel Trubel herrscht. In diesen zwei Monaten müssen die Wirte auf den Kykladen die
Haupteinnahmen erzielen. Vielleicht ist der absolute Hype ja auch bald vorbei, gebremst durch die immer höheren Preise, die Menge von Touristen, welche die Kapazitätsgrenzen der Insel sprengt,
quasi die Belastbarkeit übersteigt und ein angenehmes Urlauben unmöglich macht. Sogar in Santorini und Mykonos spricht man in diesem Jahr schon von sinkenden Touristenzahlen. Zum Glück haben wir
selbst ja nichts mit dem Overtourism zu tun, zu viele Touristen sind halt stets die Anderen.
Wir geben die Hoffnung nicht auf, lassen unseren alten Mietwagen auf dem Flughafenparkplatz stehen, legen den Schlüssel unter die Matte und genießen den Airport von Naxos, der natürlich auch
längst an seine Infrastrukturgrenzen angelangt ist.
Hier müsste wenigstens mal einer aufräumen und durchwischen, bei diesen vielen Fliegen…Das müsste einer dem Bürgermeister doch mal sagen!
Na ja, in einer Zeitung ist die Misere schon mal aufgetaucht: