NAXOS - ABREISE - OKTOBER 2020

So eine Fahrt mit der Blue Star Naxos von Amorgos nach Naxos hat schon was. Das frühe Aufstehen – denn es geht schon um sechs Uhr los – wird durch den fast schon kitschigen Sonnenaufgang entschädigt. Wir leisten uns einen „Airseat“, nicht in der Hoffnung die Fahrt möge darin wie im Fluge vergehen, sondern dass wir vielleicht noch eine Mütze Schlaf nachholen können. Die Airseatlounge ist menschenleer, nur jeder zweite Sitz darf benutzt werden, also schlummern wir mit Sicherheitsabstand. Und obwohl mal wieder Reisetag ist, scheint heute tatsächlich die Sonne. Da ist die Neugierde doch größer als das Schlafbedürfnis. Das Anlegen an die kleinen Kykladen im Morgenlicht ist schon ein Erlebnis der besonderen Art. Koufonissi – Schinoussa – Iraklia  - alles im Schnelldurchlauf, da wird die Fähre bei ruhiger See erst gar nicht am Poller festgemacht, bei der Beladung bleibt alles auf Stand-by. Spannend, wie die große Fähre in den engen Hafenbuchten von Schinoussa und Iraklia dreht, ganz nah am Uferfelsen vorbei, und so mancher Kapitän hat sich den Spitznamen „Captain on the rocks“ bei den Einheimischen eingehandelt, als er die Felsen touchierte. Auf Iraklia sehen wir nur die üblichen drei Verdächtigen, da kann der Kapitän der BlueStar beim Ablegen schon mal Gas geben und damit den ganzen Anleger überfluten, zurück bleiben ein paar schimpfende Iraklianer und nasse Füße.

Immerhin, Naxos ist schnell erreicht, nach einem ausgiebigen Frühstück im Diogenes mit lieben Freunden mieten wir uns für die 3 Tage ein Auto bei Maria, die uns schon erwartet, und machen uns auf den Weg zum Plaka Strand.
„Hier ist alles dicht, Supermarkt kein Restaurant hat mehr geöffnet, es fährt kein Bus mehr“ hat uns unsere Vermieterin Koula im Vorfeld schon gewarnt. Erst als wir ihr versicherten, dass wir ja ein Auto hätten und zum Essen wohl nach Naxos Chora fahren werden, war sie beruhigt. Die Unterkunft liegt fast am Ende des Plaka Beach, wir waren schon ein paar Mal dort, nicht komfortabel, aber mit schöner Aussicht auf das Meer und ruhig gelegen. Waren wir sonst die einzigen Gäste, so haben wir jetzt Ende Oktober sogar Nachbarn, ein junges Paar aus Paris, Mathieu und Margeaux sind dem Lockdown entflohen und leisten uns auf dem Nachbarbalkon Gesellschaft. Denn das ist üblich bei den Griechen: Gäste werden nicht weit verteilt in den Unterkünften untergebracht, sondern so dicht wie möglich, damit sie sich gut unterhalten können.

Der Plaka Strand ist an dieser Stelle wohl am schönsten, naturbelassen, wenige Liegen stehen noch parat, sind zur freien Verfügung.

Wir schlendern den Strand entlang Richtung Mikri Vigla, die Dünenlandschaft ändert sich, der Strand wird schmaler und die jetzt geschlossenen Unterkünfte weniger. Hier liegt schon alles im Winterschlaf, trotz des Sommerwetters bei immer noch 26 Grad.
Gebaut wird nach wie vor, die Staubpiste hat in Höhe des Plaka Camings jetzt sogar eine Solar-LED-Straßenbeleuchtung bekommen. Ich bin gespannt, wie lange die durchhält, eine Lampe hat sich leider schon verabschiedet.

Minimärkte haben hier nicht mehr geöffnet, nur bei Manolis gibt es noch Rudimentäres, gesichert ist unsere Versorgung dennoch durch den Supermarkt Aspasia in Agia Anna, sogar sonntags. Und essenstechnisch werden wir immer noch im Paradiso von Vangilis und Adonis oder bei Manolis am Maragas verwöhnt, bei spektakulären Sonnenuntergängen über Paros.

Und wenn wir schon ein Auto haben, werden wir es auch nutzen. Also geht es los nach Aliko zu der alten Hotelruine.
Zwischen 1967 und 1974 wurde hier versucht, eine riesige Hotelanlage zu errichten, was aber nach Ende der Militärdiktatur damals aufgegeben wurde.
Heute haben zahlreiche Künstler das Terrain für sich entdeckt und die Betonwände dienen als Maluntergrund für etliche Graffitis und perspektivisch täuschende Wandmalereien. Offenbar kommen immer neue Werke dazu, die meisten habe ich noch nicht gesehen. Leider nagt aber auch hier der Zahn der Zeit und das raue Meeresklima an ihnen.

Die Strände in der Umgebung sind naturbelassen und erinnern uns an ruhige alte Zeiten, auch heute noch teilweise selbst im Hochsommer sind sie nicht überlaufen. Ja, in dieser Ecke könnte ich mir auch gut eine Unterkunft vorstellen.

Nach einem erfrischenden Bad am Glyfada Beach machen wir einen kleinen Landausflug durch die Tragea Hochebene, besuchen Chalkio und Filoti, die immer für Fotomotive gut sind…

…um dann doch wieder bei Boulamatsis auf dem Balkon zu landen. Auch hier spielt der Himmel heute mit, was uns den Abschied jedoch nicht leichter macht.

Aber wir wissen ja: Morgen ist wieder Reisetag, und das Wetter wird sich sicherlich daran halten. Wie bestellt rollt am nächsten Morgen das Unwetter heran, selbst das Beladen des Autos gelingt nicht trockenen Hemdes und Hosen, und so verlassen wir Naxos mit zwei weinenden Augen und weinendem Himmel gen Athen. Die Trauer ist schon groß.

Piräus empfängt uns scheinheilig im Sonnenschein, vorbei geht es an den Fähren, die vor Anker liegen, und ich hätte nicht gedacht, dass mir die Adamantis Korais zwischen den großen BlueStars jemals so klein vorkommen könnte. Giannis L., der beste Taxifahrer Athens, bringt uns in Windeseile mit seinem nagelneuen Octavia für günstige 17 Euro zu unserem Hotel am Syntagma Platz, aber auch das macht das Wetter nicht besser. Ein verregneter Abend in der Plaka, ein gemütliches Dinner im Dioskouri unterm Heizpilz, ein letzter Blick von der 360 Grad Bar am Monastiraki auf die neuerdings LED beleuchtete Akropolis, und schon hat die Reise ein Ende.
Nicht ganz, denn am nächsten Morgen überrascht uns das Hotel noch mit einem schnellen Frühstück in einer gut gekühlten – ich sag mal -  Sushibox, absolut Corona-konform. Die Taxifahrt gestern vom Hafen hatte mir so gut gefallen, dass ich Giannis direkt für unseren Transfer zum Flughafen gebucht habe, denn eine Busfahrt in Coronazeiten wollen wir uns ersparen. Pünktlich um 9 holt er uns ab, viel zu früh, in nicht einmal 40 Minuten erreichen wir den Airport. Und natürlich verlangt er nicht mehr als die obligatorische flat rate von 35 Euro. Einfach super, der Mann. So stehen wir jetzt wieder dort wo wir die zweiwöchige Reise begonnen haben.

Waren es wirklich nur zwei Wochen? Es kommt mir nicht so vor, wir haben diese Zeit auf jeden Fall intensiver erlebt als viele vorherige Urlaube, die deutlich länger waren.

RICHIS KYKLADENFIEBER