KOUFONISSI IM MAI 2019

Koufonissi, die kleine Badeinsel, war schon lange bekannt als das Mykonos der kleinen Ostkykladen, jedoch heute bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Es ist Ende Mai als wir mit dem Seajet 2 ankommen. Unser Studio vom letzten Jahr war diesmal nicht buchbar, und so haben wir uns etwas Neues ausgesucht. Giannis mit seinem uralten Suzuki Swift – dessen Lack wohl arg vom Seewetter gebeutelt wurde - erwartet uns schon am Anleger. Wir kennen uns noch nicht, und so hat er als Verstärkung Marietta mitgebracht, die Englisch spricht, sie hat lange Jahre in den USA oder Kanada gelebt. Giannis selbst spricht nur Griechisch, aber die Verständigung klappt problemlos. Wir umrunden fast die gesamte Insel, kommen am alten Fischerhafen vorbei, um zu seinem Domizil zu gelangen, den Studios oberhalb der Ouzerie Karnagio. Marina erwartet uns hier mit ihren beiden netten Hunden, die ganz aufgeregt über die wohl ersten Gäste des beginnenden Sommers sind.

Die Studios liegen zwar nicht auf dem höchsten Berg der Insel, aber von hier haben wir dennoch einen wunderbaren Blick auf die alte Windmühle mit der kleinen Werft und auf den Hauptort. Weiter geht der Blick rechts nach Kato Koufonissi, daneben links das kleine Glaronissi und dahinter das gewaltige Keros. Unglücklicherweise habe ich mir kurz vor unserer Abreise zu Hause eine heftige Prellung am Oberschenkel zugezogen, aus Unachtsamkeit, so dass meine Wandertätigkeit jetzt schwer eingeschränkt ist und jeder Weg schmerzt. Dass die Studios für uns nur per Monopathi den Hügel hinauf zu erreichen sind, das war mir bei der Buchung schon klar, aber eben nicht die Umstände jetzt. Wir erkundigen uns bei Marina über die aktuelle Situation auf Epano Koufonissi, viel scheint ja nicht los zu sein, und auch sie hat ja kaum Gäste. Ja, sagt sie, im Mai und Juni wäre es sehr ruhig, die Touristen kämen wohl erst ab Juli. Na, so ganz kann ich ihr das nicht abnehmen, denn als wir im letzten Jahr Mitte Juni hier waren, war schon recht viel Betrieb. Jetzt, Ende Mai haben noch nicht alle Restaurants geöffnet, das Mikres Cyclades soll in den nächsten Tagen starten, das Aneplora am alten Fischerhafen hat noch lange zu, und auch die Ouzerie Karnagio, die unserem Zimmerwirt Giannis gehört und in unserer Blickrichtung liegt, hat nicht geöffnet. Giannis und Kollegen werkeln kräftig darin herum, der Fußboden muss wohl erneuert werden, es wird wohl noch bis nach unserer Abreise dauern. Schade, denn auf die gemütlichen Abendstunden in der Bucht direkt am Wasser hatte ich mich schon gefreut.

Auch unser abendlicher Rundgang durch den Ort sagt uns: So leer haben wir Koufonissi noch nie erlebt! Viele Geschäfte und Restaurants haben noch zu, das trubelige Leben auf der Gasse fehlt, von Mykonos-Feeling keine Spur. Koufonissi zeigt sich als typische kleine Kykladeninsel, sehr angenehm ruhig und familiär. Einige Lokale gibt es allerdings schon, Melissa oder die Lokale in der Gasse gegenüber vom Bäcker sind spärlich besucht. Wir entscheiden uns für das Neo Remezzo mit der netten immer lachenden Wirtin, und auch hier bekommen wir mühelos einen Tisch und lassen uns den – bezahlbaren - frischen Fisch gut schmecken.

Am nächsten Morgen ruft uns Marina zum Frühstück, wir hätten es ja schließlich mit gebucht. Na gut, nicht ganz freiwillig, die Studios sind nur inklusive Frühstück buchbar, und das machen wir uns eigentlich lieber selbst. Aber wir können ihr natürlich keinen Korb geben, sie zeigt uns ganz aufgeregt den Eimer mit den frischen Hühnereiern, den sie wohl gestern vom Nachbarn bekommen hat. Überraschender Weise sind offenbar gerade über Nacht zwei Küken geschlüpft. Ah ja! Wir verzichten dankend auf jegliches weiteres Experiment für Omelett oder Spiegelei.
Blöderweise lassen die Schmerzen im Bein auch am nächsten Tag nicht nach, letzte Woche auf unserer ersten Insel Folegandros hatte ich schon damit zu kämpfen. Ich entscheide mich widerwillig, doch die örtliche Arztstation auf der Insel aufzusuchen. Vorsichtshalber schaue ich vorher mal im Übersetzer nach, was Prellung auf Griechisch heißt, denn wer weiß das schon? „Mólopas“. Mit diesem Wissen und auch sonst sehr rudimentären medizinischen Grundkenntnissen bewege ich mich in die Praxis. Sprechzeiten sind von Montag bis Freitag von 10 bis 14 Uhr, viel ist an diesem Vormittag nicht los, alles wirkt sehr aufgeräumt und großzügig, offensichtlich gibt es mehrere Behandlungszimmer, fast schon eine kleine Klinik. Die Ärztin behandelt gerade einen Patienten im Nebenraum, ich nehme schon mal Platz und warte. Jemand – vielleicht ein Patient vor mir – hat als Dankeschön eine Plastiktüte mit Eiern dagelassen. Irgendwie schiele ich immer wieder dorthin, in der Annahme, dass auch hier vielleicht gerade ein Küken schlüpfen wird. Oder muss man hier etwa in Naturalien bezahlen?
Die junge Ärztin ist sehr nett und wir einigen uns dann doch in der Konversation auf Englisch. Nach halbstündiger gründlicher Untersuchung kommt sie dann zu dem Schluss, dass bei mir wohl ein Muskelfaseranriss, wenn nicht sogar Muskelfaserriss vorliegt. Auf die Frage, wie lange ich denn damit das Vergnügen haben werde, antwortet sie nur charmant: „Wahrscheinlich vier bis sechs Wochen.“ Oha. Damit sind also die nächsten geplanten Wandertouren nur noch Makulatur. Und das bei einer Reise von drei Wochen. Ich frage lieber erst gar nicht nach, was Muskelfaserriss auf Griechisch heißt. Will ich gar nicht wissen. Bezahlen muss ich allerdings nichts.

So bleibt uns nichts anderes übrig, als die Badeinsel Koufonissi auch als solche zu benutzen, was allerdings bei dem super Wetter nicht sehr schwer fällt, und, wie gesagt, auch die Strände nicht so voll sind wie sonst. Es gibt Schlimmeres.

Mittlerweile haben wir – Janis sei Dank – herausgefunden, dass heute das „Mikres Cyclades“ eröffnet, jedenfalls soll es so auf facebook stehen. Das Lokal ist uns schon bekannt als ehemaliges „Gastronaftis“, und so versprechen wir uns eine rauschende Eröffnungsparty. Aber zum Glück sind wir doch fast die einzigen Gäste, vielleicht ist facebook noch nicht bis Koufonissi vorgedrungen. Erst später machen wir eine etwas merkwürdige Erfahrung. Ein junges Dreier-Paar – in Köln würden wir sagen „Die zwei lustigen Drei“, also zwei Typen mit einer jungen Frau entern das Lokal, während einer von ihnen mit seinem Smartphone alles filmisch aufzeichnet. Stürmisch werden sie von dem Restaurantteam begrüßt: „So schön, dass ihr gekommen seid". Küsschen hier, Küsschen da. Sie nehmen im sonst leeren Lokal direkt neben uns Platz. So aus der Nähe sehen die drei dann doch eher aus wie drei Einzelpersonen, ein Startup-Unternehmen oder so, also kein Paar dabei, ich tippe mal auf deutsch-australisch-amerikanische Segler-Studenten, die von ihren Eltern den Europa-Trip gesponsert bekommen haben. Aber weit gefehlt! Mittlerweile informiert uns Janis, dass wir per Video auf facebook zu sehen sind, er hat uns dort erkannt.
Seine Recherche ergibt, dass es sich bei den zwei lustigen Drei wohl um recht bekannte Travel-Influencer handelt, die gerade auf einem Kykladentrip sind. Hoffentlich haben sie Koufonissi nicht mit Mykonos verwechselt, aber immerhin mit 572k Abonnenten auf instagram. Und wir mitten drin. Dass wir das noch miterleben durften!
Jedenfalls die Ochsenbäckchen und die Lammkeule waren ganz ausgezeichnet. Der Knochen bei dem Lamm war allerdings nur Deko.

Erstaunlich ruhige und angenehme Tage verbringen wir so auf dieser sonst so quirligen Insel. Und ich spüre nichts vom „Mykonos.-Feeling“,  im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass die anderen kleinen Ostkykladen mit ihrer "Mykononisierung" sehr schnell den Status erreichen werden, den Koufonissi schon lange inne hat.
Jetzt aber geht es erstmal ganz zünftig weiter mit der Express Skopelits. Nicht ohne dass Herr Prassinos mit seinem roten Kopftuch himself sich bei mir erkundigt: „Pou pas?“ Aber das macht er wohl bei jedem, der abhaut.


RICHIS KYKLADENFIEBER