„…kάτι από τον κήπο μας...“ Ich schrecke leicht hoch, bin wohl eingenickt, als mich Kassandra weckt und mir ein Schälchen mit köstlich süß duftenden Aprikosen vor die Nase hält. Dabei hatte ich so schön geträumt…
Ja, es war schon immer mein Traum, einmal alle vier bewohnten Kleinen Kykladen, die „Mikres Kyklades“ und Amorgos mit Naxos auf einer Reise nacheinander aufzusuchen, um zu erfahren, worin sich diese Inseln wirklich unterscheiden, zeitnah. Denn auf einer Reise im Frühjahr oder im Herbst zeigt sich jede Insel anders, mal in Aufbruchstimmung, mal gesättigt und müde von der Touristensaison. Durch unsere Anreise nach Santorin und Folegandros bietet sich also Pano Koufonisi als erste an, da sie auf der SeaJet-Route von Folegandros über Santorin und Amorgos ohne Umsteigen erreichbar ist.
Koufonisia ist ja eine Inselgruppe, genau genommen bestehend aus 13 Inseln und Inselchen, wovon nur drei von Bedeutung sind, nämlich Pano Koufonissi, die obere, als einzig dauerhaft bewohnte, auch Ano Koufonissi genannt. Obwohl nach meinem Sprachempfinden müsste sie eigentlich Epano Koufonissi heißen. Aber die Griechen lassen ja gerne mal ein paar Buchstaben weg, damit die Sprache flüssiger läuft, insbesondere machen das nach meinem Empfinden eher die Männer, die griechischen Frauen sprechen viel deutlicher, so wie Kassandra, unsere Zimmerwirtin, die ich gut verstehe. Aber ich schweife ab.
Dann ist da noch Kato Koufonissi, die untere, mit einer Sommertaverne für Tagesausflügler, und die unbewohnte Insel Keros, auf der im letzten Jahrhundert zeitweise nur ein Hirtenpaar wohnte, jedoch eine Insel ist, die während der frühen Bronzezeit eine bedeutende Kultur aufwies, was archäologische Funde unter der Bezeichnung Keros-Syros-Kultur belegen.
Somit ist im allgemeinen Sprachgebrauch immer Pano Koufonissi gemeint, wenn man von Koufonissi spricht. Genau wie bei unserem Aufenthalt letzten Oktober ist auch jetzt Anfang Juni sehr wenig los, der Hafenanleger leergefegt, erst in den nächsten Tagen wird Prassinos Tours seine Bootstour zur Kato Koufonissi Taverna anbieten, hin um 11:00, zurück um 17:00 Uhr. An das Werbeschild, was er mittlerweile aufgebaut hat, glaubt er offensichtlich wohl selbst noch nicht „Every 1 Hour All Day“, es stammt noch aus der Hochsaison. Und so lässt sich an manchen Tagen der Eine oder die Andere ab und an mal nach Kato Koufonissi übersetzen, um ein paar sehr ruhige Stunden zu verleben. Derweil die Boote, die neben dem Ausflugsboot vor dem Dorfstrand liegen, auch jetzt schon ein farbenprächtiges Bild abgeben, und man sich fragt, ob die gelben Ruderboote überhaupt jemals noch bewegt werden, oder ob sie nur als anreizende Motive für Instagram-Blogger gedacht sind.
Die Wassertemperaturen jedenfalls sind immer noch zu niedrig, das Meer für mich nicht bebadbar, obwohl die ganze Insel sehr sommerlich warm aussieht, aber mehr als 20 Grad sind nicht drin, gerade genug für Spaziergänge durch den Ort. Hier ist das Dorfleben noch in Ordnung, „Wir leben hier im Paradies“ sagt Kassandra, und viele Bewohner werden das wohl genauso sehen, die Jugend genießt das Leben, zumindest im Sommer, und einige, die die Insel zum Studium oder für eine Berufsausbildung verlassen, kehren später doch zurück, um im Tourismus ihrer Heimatinsel ihr Glück zu machen, und sei es um die elterliche Pension zu übernehmen.
Natürlich muss auch eine Strandwanderung sein, an Finikas vorbei, mit Wandmalerei. Dass der nordöstliche Teil vom vorgelagerten Keros von Weitem wie eine liegende schwangere Frau aussieht, das weiß auf Koufonissi natürlich jedes Kind, und das wird sich auch in den nächsten neun Monaten nicht ändern.
Dass aber auf der Gipfelsäule von 1955, dem höchsten Punkt der Insel auf 113 m ein Graffiti existiert, das Banksy alle Ehre machen würde, ist vielleicht nicht so bekannt. Fliegende rote Herzen steigen wie ein Strauß Luftballons an der Säule hoch.
Womit wir im Prinzip bei dem weniger bekannten Teil der Insel wären. Hier im Hinterland, unweit der Inseltankstelle, zeigt die Insel die Rückseite ihrer Medaille, nicht ganz so glanzvoll wie die touristische Vorderseite am Wasser. Hier lässt sich erahnen, wie die Insel in vortouristischer Zeit aussah, geprägt von Landwirtschaft und Ziegenzucht. Nur eine beachtliche Fischfangflotte soll es hier immer schon gegeben haben. Einige „Höfe“ werden wohl immer noch bewirtschaftet, und nur beim genauen Hinsehen erkennen wir, dass es sich nicht nur um Viehställe handelt, sondern hier immer noch unter ärmlichen Bedingungen Bauern leben und wohnen. Warum allerdings die Ziegen eine Markierung mit blauer Farbe tragen, bleibt schleierhaft, hoffentlich nicht ein Dummejungenstreich.
Und ohne Prophet zu sein, ist es nicht schwer vorstellbar, dass es diese Art der Landwirtschaft wohl nicht mehr lange geben wird. Ich jedenfalls vermeide es, die Bäuerin mit ihrer BlueStar baseball cap anzusprechen, um sie nach ihrem Leben auszufragen, die an der Straße vor ihrem Haus sitzt und ein paar Fassolakia schnippelt.
Ich denke, was in Zukunft zählt ist der Tourismus, Unterkünfte werden immer mehr, komfortabler und teurer, Bars und Restaurants mit teilweise atemberaubenden Waschräumen genügen dem internationalen Anspruch der globalen Gäste. Nur das ewig leerstehende Guacamole ist wohl so ein Pleiteobjekt, was sich junge Leute ausgedacht haben. Aber oh Wunder, die Burger & Cocktailbar ist auf Tripadvisor die No. 1 und im Sommer wohl der Renner.
Man lebt ja schließlich nicht auf einer kleinen griechischen Insel fernab der Zivilisation, jedenfalls versucht man alles, diesen Eindruck zu vermeiden. Was allerdings nicht immer gelingt, falls man seine Reise anstatt mit dem SeaJet mit der Express Scopelitis fortsetzt. Hier ist man dann schnell wieder auf dem Boden der Ladeklappe angelangt.