Erik (Name geändert) meinte, es wäre wohl besser, dieses Jahr nicht nach Koufonisi zu fahren, wegen der vielen Italiener und Franzosen dort. Von den Griechen ganz zu schweigen. Die Engländer, da
waren wir uns einig, sind eigentlich besser als ihr Ruf, jedenfalls auf den Mikres Kyklades, und die Deutschen sind sowieso in der Minderzahl. Früher, als die Kykladenwelt noch in Ordnung war,
stellte Koufonisi schon einen Ausrutscher in der heilen Inselwelt dar, schon etwas mehr mykononisiert oder santorinisert als die anderen kleinen Eilande. Damals mussten die Koffer etwas größer
dimensioniert sein, um nach Koufonisia zu reisen. Da reichte die normale T-Shirt & Jeans Ausstattung nicht aus, da musste das Outfit schon mal gewechselt werden, Shirts in Blau, Türkis, Rot
und allen Farben mussten mit, auch für die Damen mal ein Kleidchen mehr, und die Baseballcap in der passenden Farbe, mal in Blau und Pink. Von den Schuhen ganz zu schweigen. Aber tagsüber lagen
wir am wilden Pori Beach, keine Taverne weit und breit, daher musste man aufpassen, dass die frei herumlaufenden Esel nicht den Tagesproviant auffraßen, und die Reiselektüre mit dazu. Aber man
war eine eingeschworene Gemeinschaft und sprach miteinander, anstatt zu whatsappen.
Heute gibt es am Pori Strand sogar Edeltavernen mit Preisen ab 20 Euro aufwärts, wie einschlägige Informanten berichten, und auch die anderen Mikres Kyklades haben sich im Rahmen des
Individualismus mehr und mehr mykononisiert, sind Schauplätze der Selbstoptimierung des Einzelnen geworden, jeder ist der wichtigste Mensch der Welt, einzig – nicht artig. Und rein optisch geht
das typisch kykladische spätestens dann verloren, wenn das neue Café für seine Ausstattung in weiße Plastiksessel investiert, möglichst noch in Polyrattan-Optik, die genau eine Saison durchhalten
und aussehen wie auf Mallorca oder Ibiza oder Mykonos oder Königswinter.
Viele Jahre lang haben wir Koufonisi boykottiert, um ehrlich zu sein, weil ich keinen großen Koffer mitschleppen wollte. Aber immer mehr sehe ich, dass Koufonisi auch zwei Seiten hat, so wie
inzwischen jede kleine Insel auch: die traditionell ursprüngliche und die mondäne. Damit muss man einfach leben. Oder die Inseln meiden. Oder nach Folegandros reisen, denn da sind Plastikstühle
verboten. Aber dafür findet man dann an jedem Hotel einen Pool mit Rattanliegen.
Nun also doch wieder Koufonisi, gut gelegen zwischen Iraklia und Amorgos, geeignet für einen zweitägigen Zwischenstopp und einen coolen Strandtag, denn für zwei Tage kann man sich ja
klamottenmäßig so durchschummeln, ganz anders als bei einem zwölftägigen Aufenthalt am Stück auf Donousa oder Iraklia.
Des Telefonierens und E-mailens mit den Vermietern müde versuchte ich schon lange vorher ein geeignetes Quartier auf einem der einschlägigen Buchungsportale zu ergattern, genügend Unterkünfte
kannte ich ja. Die Verwunderung war dann aber doch groß als ich sah, dass die üblichen Verdächtigen gar nicht mehr bei den Portalen zu finden waren, lediglich fünf Kandidaten boten sich an, und
nur einer zu einem annehmbaren Preis. Entweder waren alle anderen sowieso schon ausgebucht, oder wollten sich die heftigen Provisionen der Portale ersparen, vielleicht auch die vielen
Stornobuchungen vermeiden, die mittlerweile dort wohl zu einer Pest geworden sind.
Wie dem auch sei, das To Iliovasilema machte einen ordentlichen Eindruck, und die abseits liegende Lage schreckte mich nicht ab, sie versprach eher Ruhe pur.
Noch hängen die Gewitterwolken hoch über Naxos und dem Zas, als wir von Kostas am Hafen abgeholt werden, mit seinem Toyota geht es in rund fünf Minuten quer über die Insel, der Blick vom To
Iliovasilema auf den alten Fischereihafen ist schon mal fantastisch, und die Anéplora Fischtaverne dort unten verspricht Versorgungssicherheit.
Ein erster Gang führt uns am Meer entlang in den Ort, vorbei an der Steilküste mit dem Friedhof, der Windmühle und der kleinen Kaikia Werft.
Und so abseits gelegen ist die Unterkunft dann doch nicht, in gut fünfzehn Minuten sind wir mitten im Ort, in unserem Lieblingsrestaurant Neo Remezzo bei krossen Barbounia. Ein leckeres Fischessen zu zweit mit 0,75 l Wein, Choriatiki und feinem Kartoffelsalat für komplett 34 €, da gibt´s nicht zu meckern im mondänen Koufonisi.
Das einmalig sanfte Abendlicht im gemütlichen Kykladendorf gibt es kostenlos dazu, und die Ouzerie Karnagio liegt strategisch ideal für einen Absacker auf unserem Rückweg.
Ein wenig überrascht bin ich, als ich in der Ticketagentur schon mal das Ticket für die Weiterfahrt kaufen will, der Chef als Ahnengallerie an der Wand, er wird doch nicht...? Aber nein, wir finden Herrn Prassinos am nächsten Morgen wie er leibt und lebt wie immer am Hafen bei seinem Badeboot, wünschen ein langes Leben noch und geia sas!
Das Boot nehmen wir aber nicht, sondern gehen zu Fuß bis zum Panos Beach, obwohl immer noch über Naxos dicke Wolken hängen, aber sie kommen zum Glück nicht herüber zu uns. Natürlich sind wir am
Beach nicht allein, das muss man wissen. Ganz am Ende des Strandes finden wir ein relativ ruhiges Plätzchen am türkisfarbenen Meer für einen schönen Badetag. Wenn, ja wenn der böse Nachbar nicht
wäre. Diesmal nicht in Form von lärmenden Italienern und Franzosen, sondern in Form einer Luxusjacht, die unbedingt hier ihre Wendemanöver vorführen muss und damit für einen gepflegten
Tsunami sorgt.
Der gesamte Strand wird überspült, alle Klamotten klitschnass, alle Badegäste stinke sauer. Sagen aber nix, sondern packen wie begossene Pudel ihre sieben Sachen zusammen und räumen den Strand.
Vielen Dank nochmal, Herr Kapitän!
So ziehen auch wir das Abendessen eben vor, diesmal in der Taverne vor unserer Tür, der besagten Anéplora Fischtaverne, wieder mit unseren geliebten Barbounia. Und auch hier: kein Schickimicki, völlig normale griechische Taverne, alles frisch, günstig und sehr freundlich, der nette Wirt bedankt sich sogar persönlich bei jedem Gast.
Na ja, so langsam muss ich doch mein Urteil über Koufonisi revidieren, für einen kurzen Badeurlaub gar nicht mal so abwegig, zumal die Weiterreise nach Amorgos am nächsten Morgen ja nicht so wahnsinnig tolle Badetage erwarten lässt.