FOLEGANDROS - SEPTEMBER 2024

Jetzt also wieder Folegandros. Obwohl die Insel in der letzten Zeit immer mal wieder in den Schlagzeilen war, gebeutelt durch Wassermangel, Stromausfall, Overtourism, frage ich mich: Ist auf einer meiner Lieblingsinseln der alte Zauber noch vorhanden,  das Bummeln durch die malerischen Gassen mit den schönen griechisch bestuhlten Plätzen, das Streifen durch die terrassierte Landschaft mit dem Blick auf die Panagiakirche am Hang über Chora, der weite Blick zum spektakulären Sonnenuntergang von dort, der Aperitif im Kastro Cafe, das gesellige und leckere Abendessen bei Stratos im Araxe oder Uta und Dimitris im Chic, der Absacker bei Jannis in seinem Lotzia? Und was gibt es Neues zu berichten? Schaun mer mal.

Die Anreise mit Aegean von Düsseldorf ist angenehm, von Köln nach DUS mit der Bahn weniger, gut dass wir uns eine Stunde Puffer eingerechnet haben. Dann in Athen am Kofferband plötzlich eine nette Begegnung: Neben mir steht Otto Rehhagel, immerhin ehemaliger Trainer der griechischen Nationalmannschaft und Fußball-Europameister von 2004, weshalb ich nicht umhinkann ihn anzusprechen. Sehr netter Typ. Er wolle sich mit seiner alten Mannschaft treffen und sollte wohl eine Auszeichnung vom Olympischen Komitee erhalten, erzählte er mir.

Nun, die Nacht in Piräus ist kurz, die Fähre bis Milos voll, sehr voll, vorbei geht es an der Windkraftinsel Agios Georgios, trotz HighSpeed Boot kommt ein wenig Ägäisfeeling auf, das Blau des Meeres macht es möglich, ein kleines Außendeck die Fahrt erträglich. Der kleinere Supercat Jet nach Folegandros ist dann weniger bequem. Ja, zu unserer Zeit fährt der Seajet nicht mehr von Piräus nach Folegandros durch, Umsteigen in Milos ist angesagt, klappt aber zeitnah, die Fähren warten aufeinander.

Wir wohnen wieder bei Myrtia, unten am Hafen, es hatte uns das letzte Mal so gut gefallen, etwas abseits deutlich ruhiger als oben in Chora, sogar ein paar Mulis stehen hier noch gelangweilt herum. Und ein paar nette Tavernen gibt es hier auch. Obwohl das Lebhafte dann doch das eine oder andere Mal etwas fehlt. Dafür entschädigt der Blick über den Hafen. Man kann halt nicht alles haben.

Und so schlendern wir durch die engen, verwinkelten Gassen der Chora von Folegandros, dem unglaublich schönen Kastro-Viertel und fühlen uns fast wie gestern dagewesen. Kein Zweifel, wieder scheinen einige Häuser mehr in der malerischen Hauptgasse verlassen, wieder darauf wartend, zu Feriendomizilen ausgebaut zu werden, einige hatte ich schon in den einschlägigen Portalen im Internet entdeckt. Die vielen Katzen scheint es nicht zu stören, eine fütternde Hand findet sich offenbar immer.

Ja, malerisch ist es hier wirklich, jedoch die sonst sprießenden Bougainvilleen blühen nicht so üppig wie sonst, der wenige Regen im kargen Winter wird wohl der Grund sein, selbst manch ein Feigenkaktus kämpft hier ums Überleben. Das Wasser ist auf Folegandros knapp, die Sommer werden heißer und trockener, doch die Nachfrage nach Pools und Komfort wächst immer mehr, High Class Tourismus ist angesagt. Es ist ein fragiles Gleichgewicht, das hier entsteht, und ich frage mich, wie lange die Insel das noch tragen kann.

Ein Spaziergang von Chora Richtung Ano Meria zeigt: selbst hier in dem wunderschön terrassierten Gelände wird weiter gebaut, irgendwie unterirdisch, noch nicht richtig zu erkennen, was das wohl werden wird. Als wenn das noch nicht einmal fertig gestellte Nobelhotel Avaton nebendran nicht schon ein abschreckenden Beispiel genug wäre.

In den Tavernen am Hauptplatz sitzen jetzt zur Mittagszeit wenige Touristen, kein Vergleich zu der dichten Menschenmenge, die man von den Hotspots auf Mykonos oder Santorini kennt. Noch hat die Insel eine gewisse Ruhe und Gelassenheit bewahrt. Mir fällt auf, dass Manolis mit seiner Melissa dicht gemacht hat, er hat den Platz wohl den Restaurants Piatsa und Souvlaki Club überlassen. Immer wieder zieht es uns zurück in diese Gassen, in diese schlichte, natürliche Schönheit, die trotz allem geblieben ist. Und noch ist nicht jedes Haus zu einer Souvenirbude mutiert, einige verwunschene Ecken und Winkel gibt es zum Glück noch. Das chinesische Lokal dort hat jedenfalls aufgegeben.

Der alte und früher einzige Inselbus fristet sein Rentnerdasein nun als Event-Gefährt, er lässt sich für Hochzeiten und andere Veranstaltungen mieten, ist mit Tischen und Stühlen ausgestattet und wird bei besonderen Anlässen ab und an sogar von dem alten Busfahrer noch zu Ausflügen nach Ano Meria gefahren, allerdings nicht zum Baden, denn Folegandros ist nicht wirklich eine Badeinsel, dafür sorgt Aiolos mit kräftigen Winden schon, wie wir mal wieder erleben dürfen.

Zum Abend erwacht dann das Leben im Ort. Man (Frau) macht sich chic, flaniert zur Panagiakirche empor - hätte ich fast gesagt – und vergleicht ganz nebenbei den Sonnenuntergang mit dem von Oia oder Wanne-Eickel (oder war das der Mond? Egal). Jedenfalls gewinnt Folegandros immer noch.
Die Lokale füllen sich, manch ein Wirt stellt lustige Schildchen auf die Tische, das hat die Druckbetankung mit Ouzo und Raki anscheinend abgelöst.

Bemerkenswert: Die Fassade der Kirchenruine Panagia Theoskepasti am Platz neben dem Kritikos-Grill ist nun renoviert worden, was sonst immer ein kleiner Schandfleck an dem so schönen Platz war. Restauriert von innen ist sie noch nicht, die Tür ist aber abends geöffnet, man kann einen Blick hinein werfen. Ja, Folegandros ist schon stimmungsvoll, und diese Kirche ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Insel und ihre Bewohner Wege finden werden, diesen Balanceakt zwischen Werte-Erhalt und Tourismus zu bewältigen. Folegandros ist ein Schatz, und es wäre schade, wenn er im Zuge des Tourismus irgendwann verloren geht.

Ein kleiner Schockmoment dann bei unserer Abfahrt: Die kleine Maistros-Fähre „Santorini“, mit der wir nach Sikinos hinübersetzen wollen, legt ein paar Minuten eher am Pier an als der Seajet, der Anleger ist voll mit Touristen, die nach Santorini wollen, und alles stürmt wie auf Kommando zur Fähre „Santorini“ als sie anlegt. Ich ahne schon Schlimmes, aber es hätt noch immer jot jejange…

RICHIS KYKLADENFIEBER