Ein Reisebericht, der 2020 bei NeaFoni.de, Ausgabe 20 erschienen ist - eine Zusammenfassung.
„Weißt du, man kann sich über alles aufregen,“ sagt Takis zu mir, der Wirt vom "I Pounta", als wir zum Baden den Weg gemeinsam nach Karavostasi hinunterfahren, „über das Wetter, die Politiker, die Steuern, die Banken. Man muss das alles lassen. Es ändert sich dadurch nichts.“ Da war sie wieder, die griechische Weisheit und Lebenserfahrung, die ich so lange vermisst hatte. „Wie lange kennen wir uns jetzt schon?“ sinniert er. „Schon ewig.“ Es war die Zeit unserer ersten Besuche, als die Kinder der Tavernenwirte gerade geboren waren, auf dem Arm der Mutter getragen oder auf dem Fußboden zwischen den Gästetischen spielten. Heute studieren sie in London oder Leipzig und helfen im Sommer im Service aus, junge moderne Griechinnen und Griechen, die Männer in dieser Saison mit Hipster Vollbart, der ist zurzeit wieder in. Besonders am Anfang eines Kykladenbesuchs, wenn man noch richtig erholungsbedürftig ist und Körper und Geist sich noch in der Eingewöhnungsphase befinden, wissen wir diese Insel zu schätzen. Bei 765 Einwohnern und einer Größe von 32,216 km² ist Folégandros recht klein. Dabei ist die Insel eher lang als breit, ca. 13 km lang und an der schmalsten Stelle nur ca. 1 km breit. Alles ist sehr überschaubar, dennoch ist die Versorgungslage sehr gut, besser als z.B. auf den kleinen Ostkykladen, die auch zu unseren Lieblingsinseln gehören. Auf Folégandros gibt es in den drei Orten etliche Tavernen, mindestens vier Supermärkte, drei Bäcker. Einen in Chora, einen im Hafenort Karavostasis und einen in Ano Meriá. Sogar eine Arztpraxis nebst Apotheke in Chora. Folégandros ist in der Vorsaison immer gut besucht. Daher hatte ich unsere Unterkunft angemailt und eine Reservierungszusage erhalten, die Apartments besuchen wir schon seit ihrer bescheidenen Gründung, ich glaube es war 1992, damals war alles noch ganz einfach und bodenständig. Als wir zum ersten Mal die Insel besuchten, hatte sie noch mehr von ihrem natürlichen Charme. Damals war es für uns üblich, in einfachen Unterkünften mit Bad auf dem Flur zu nächtigen, und wir waren froh, dass die Apartments Folégandros gerade eröffnet wurden. Kleine Studios im kykladischen Stil, sorgfältig gestylt, keine Plastikstühle auf der Terrasse, keine abgestellten Möbel in der Bude, kein Schnickschnack. Und natürlich keinen Pool. Dazu die griechische Herzlichkeit. Und so blieben wir über all die Jahre den Apartments Folégandros treu. In unserer Unterkunft hat die nächste Generation schön längst das Ruder übernommen. Irgendwann hatte der Wettstreit mit den Pools begonnen, und auch unsere Unterkunft hat ordentlich mitgemacht. Mein Ding ist das nicht, schwimme lieber im Meer. Und das gibt es um Folégandros herum reichlich. Immer noch. Folégandros, die kleine Schwester von Santorin – wie manche sagen – hat eine starke Entwicklung durchgemacht, viele Unterkünfte sind neu entstanden, und überall wo du heute hinguckst nur Pools, Pools und nochmals Pools. Und das bei der Wasserknappheit auf den chronisch trockenen Kykladen! Es ist wie ein Wettbewerb "wer hat den schönsten Pool?" Und offensichtlich spricht es die Touristen an, denn sie kommen auch im Juni schon in Scharen, nicht nur die Amerikaner, aber verstärkt auch sie. Wie die Engländer, Franzosen, Italiener, einige Deutsche. Und im Juli / August natürlich die Griechen. Und alle lieben offenbar diese Pools! Was auf dieser so kleinen Insel Folégandros beginnt, das schwappt krakenartig auch auf die übrigen Kykladen hinüber. Wetten? Schinoussa hat schon welche. In zehn Jahren wird es die ersten Pools auch auf Sikinos, Irakliá und Donousa geben. Da kann ich verstehen, dass so manch ein natursuchender Backpacker abgeschreckt die Insel nach zwei, drei Tagen wieder verlässt. Das Öko-Paradies ist das hier nicht. Aber es täuscht, der Ort ist noch völlig in Takt.
Die Einheimischen feiern ihre Feste, wie Kindstaufen, Hochzeiten, Ferienbeginn. Ganz groß gefeiert wird am 15. August das Fest der Panagia, der Namenspatronin der malerischen Kirche hoch auf den Klippen von Chora. Und natürlich das Osterfest auf Folégandros. Dann wird die versilberte Ikone der Gottesmutter herausgeholt, die in einer Prozession über die ganze Insel getragen wird. Dazu kommen etliche Besucher, Griechen vom Festland. Und es wird auf der Platia vor der Nikolaos Kirche geböllert was das Zeugs hält. Im Sommer findet dann das Folégandros Festival statt, Theateraufführungen, Projektionen, Konzerte mit klassischem und griechischem Repertoire, die von Chora, Karavostasis und Ano Meria organisiert werden. Im neoklassizistischen Gebäude der Grundschule werden vom Kulturverein viele und sehr interessante Ausstellungen organisiert, wie beispielsweise Mal-, Keramik- und Fotoausstellungen, die in der Regel den ganzen Sommer über dauern. Und natürlich hat die Insel inzwischen auch ihren eigenen Laufwettbewerb. Das „Folégandros Sunset Race“ ist Teil des „Cyclades Trail Cup“. Dessen Ziel ist es, die Kykladen als Reiseziel für alternativen und sportlichen Tourismus zu fördern. Das Trail-Rennen läuft über eine Strecke von 10 km, beginnt bei Sonnenuntergang und endet fast in der Nacht. Es besteht also ein gutes Verhältnis von Tradition und Moderne. Man lebt von den Touristen und hat sich mit ihnen arrangiert. Manchmal überlege ich, wer eigentlich wen beäugt auf den vielen Plätzen: die Touristen die Einheimischen, die wie an der Champs-Élysées aufgereiht in ihrem Kafenion Kastro sitzen, oder umgekehrt, die Einheimischen die flanierenden Touristen. Es ist ein Geben und Nehmen. Und gepflegt ist es auch. Es gibt kaum eine andere Kyklade, auf der die Müllabfuhr häufiger kommt (wo er dann entsorgt wird, ist eine andere Frage), die Straßen sauberer sind und auch rein optisch das Kykladenklischee stimmt. Es ist, als hätte sich der erste Eindruck von damals in unser Gehirn gebrannt, und der hält an. So ist es meistens bei den Inseln: der erste Eindruck zählt. Und eine Insel, die auf den ersten Eindruck nicht so gut wirkt, hat kaum eine Chance, ihr Image bei uns jemals zu verbessern. So ist es eben. Keine Ahnung, warum. Auf Folégandros sehen wir die Schönheiten und die Landschaft der Insel. Die Pools existieren für uns gar nicht, wir besuchen unsere ursprünglichen Eindrücke. Wir machen einen kleinen Gang durchs Dorf, vereinzelt wird gewerkelt und gepinselt, Saisonvorbereitungen. Vor dem Spitiko wird der Oregano gerebelt, ein Lokal, das auch für die Inselspezialität Matsata, ein spezielles Pastagericht bekannt ist. Und wo es auch weitere kulinarische Köstlichkeiten wie Schnecken Saligkaria Stifado oder Kichererbsen Revíthia sto fourno gibt, alles hausgemacht, wie der Lokalname schon vermuten lässt. Von dort ist es nur ein Katzensprung ins Kastro-Viertel. Hier sehen die Häuser unbewohnt aus, nicht so lebendig wie sonst um diese Jahreszeit. Vielleicht sind wir doch zu früh? Keine Wäsche vor der Tür, keine Besen, nur ein bis zwei Häuser scheinen bewohnt zu sein. An einigen hängt das Schild: Zu verkaufen. Generell ist es noch sehr ruhig und verschlafen, ruhiger als sonst, aber ab Mitte Juni soll es voll werden, die Griechen sind optimistisch, die Buchungen reichen bis Ende September. Am Abend dann sieht der Ort schon viel belebter aus, aber voll ist es nirgendwo, selbst beim Kritikos gibt es noch freie Plätze. Was auffällt: es gibt keine Plastikstühle! Sie sind anscheinend von der Inselregierung verboten. Eine Vielzahl von echten griechischen Karekles findet man auf allen Plätzen in Chora und in den anderen Orten. Und es gibt viele Plätze in der Chora von Folégandros, sehr malerisch. So dass es dem einen oder anderen schon fast zu viel wird und man auch ab und an vom „Puppenstubenimage“ spricht. Eins der Lokale am ersten Platz ist das von Stratos. Er hat sein Kafenion nun durch ein Restaurant erweitert, er nennt es „araxe“, er sagt das heiße soviel wie „relax“ oder „mach dir keine Sorgen“, und bietet ausgezeichnete griechische Küche. Sein Fava kommt von Santorin und ist das beste Fava überhaupt, wie er sagt, mit Kapern, Zwiebeln, Zitrone und Öl. Der Choriatiki mit Myzithra und Dakos ist üppig, kommt frisch und nicht aus dem Kühlschrank, die Moussaka ist in der Tat eine der schmackhaftesten, die ich je gegessen habe. Gleich stellt er uns seinen Koch vor, holt ihn aus der Küche zu uns an den Tisch, und den Olivenbauern gleich mit, der zufällig vorbei kommt und von dem er das exzellente Olivenöl hier von der Insel bezieht. Wir sind voll des Lobes, tauschen ein paar Sätze über die Schwierigkeit der Ernte durch die Hanglage, die gute Qualität und die Härte des Lebens aus, und werden seitdem von den Beiden immer freundschaftlich gegrüßt. Griechenland wie früher. Stratos führt inzwischen ununterbrochen wichtige Telefonate, „megala provlimata“ wie er uns andeutet, er ist am nächsten Tag verschwunden, abgereist, ein paar Tage später wieder da. „Geschäfte in Athen?“ frage ich ihn. „Ochi, Warschau.“ Schwiegermutter plötzlich verstorben, kurzfristig Flug nach Warschau gebucht. Mit dem Seajet nach Santorin, von dort mit dem Flieger nach Athen, weiter mit LOT oder Ryanair nach Warschau, alles an einem Tag, Beerdigung und zwei Tage später zurück. Soviel zur Abgeschiedenheit der griechischen Insel Folégandros. Griechenland doch nicht wie früher. Wir streifen noch weiter durch die abendlichen Gassen, überraschen nur kurz Lisbet in ihrer etwas versteckten Keramikwerkstatt, und nehmen einen Absacker im auch bei den Griechen beliebten Lotsia.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf in Richtung Ano Meria zur Agios Georgios Bucht.
Der Busfahrer, der auf der damals noch asphaltfreien Piste jedes Schlagloch kannte, ganz vorsichtig fuhr, das Material schonte und dadurch erreicht hat, dass der alte Bus auch heute noch in
Betrieb ist, fährt uns von der neuen Bushaltestelle aus, die am Ortseingang hinter der Post liegt, und die nicht mehr die „schönste Bushaltestelle der Welt“ ist. Er fährt wieder ganz vorsichtig
nach Ano Meria, an die Ausstiegstür hat er „SIGA“ geschrieben. Klar, immer schön langsam fahren. Der Bus ist noch leer, kaum Touristen, die nach Ano Meria wollen. Am Ortseingang wollen wir bei
Irinis Kafepantopoleio aussteigen, der Bus hält an und wir schlagen die Tür hinter uns zu, kräftig, wie es sich für einen alten Bus gehört. Klappt aber nicht, auch beim dritten Versuch nicht, die
Tür springt immer wieder auf. „Siga, siga“ ruft der Busfahrer, und schließt die Tür von innen ganz sanft mit Gefühl, mit sanftem Zug. O.k., jetzt weiß ich, was das „SIGA“ auf der Tür bedeutet.
Irini steht in ihrer Küche, es brutzelt etwas in der Pfanne. Was es denn gäbe, frage ich. Die Verkehrssprache ist hier Griechisch. Natürlich alles, Fleisch, Gemüse, Salat. Was wir denn wollen? Es
ist noch zu früh. Ich kaufe aus Verlegenheit einen Apfel, ein Prachtstück, dunkelrot, die liegen im Regal unter den Tomaten, und lobe den Laden, alles so schön hier, ob ich ein paar Fotos machen
dürfe? Sie legt nur leicht ihren Kopf auf die Seite, endáxi. Auch die beiden anderen Gäste haben nichts dagegen. Jatí ochí; warum nicht? Eine Welt für sich, sehr ordentlich und aufgeräumt. Wieder
ein Stück authentisches Griechenland im mondänen Folégandros. Man kann nur hoffen, dass es diese alten Läden wie Irinis noch lange geben wird, aber wenn die Touristen dort nur einen Elliniko
trinken oder einen Apfel kaufen, sieht es für die Zukunft nicht rosig aus. Die griechische Stammkundschaft stirbt langsam aus und die jungen Leute wandern ab. Wir tippeln die Hauptstraße weiter
durchs Dorf, wollen zum Ag. Georgios Beach hinunter, die Straße zieht sich hin, das unscheinbare Ano Meria ist mehr als drei Kilometer lang. Was sofort auffällt: es wurde viel gebaut, neue
Touristenunterkünfte, direkt an der Straße und etwas abseits davon. Warum auch nicht? Mit Mietfahrzeug ist alles erreichbar. „Alitanes“, mit „Windmills Restaurant“. Oder noch edler: „Lemon Tree
Houses“ mit Poolbar. Da spart man sich gleich die Übersetzung ins Griechische. Für wen auch? Der Ausblick hinten raus ist fantastisch, auf Landschaft und Ägäis. Vieles ist noch im Bau, aber die
potentiellen Käufer könnten schon zuschlagen. Und für die weitere Verpflegung wäre gesorgt, die alteingesessenen Minimärkte und Tavernen werden davon hoffentlich profitieren, wie Maragoudiko,
Mykoniatissa, Marketaki, das wunderbare Mimis oder der Treff bei Maria. Und wer es lieber italienisch mag, der findet gleich am Anfang des Weges zum Ag. Georgios Beach hinunter das Pizzeria
Ristorante „PaneVino“. Folégandros zeigt sich nach wie vor als Insel der Gegensätze. So geht es gutgelaunt das Monopati mit Blick auf das wie immer unvergleichlich blaue Meer die Küste hinunter,
teils auf altgepflasterten Wegstücken, teils auf dem Eselspfad an den Trockenmauern entlang, mit Blick auf Sikinos und zurück auf das Panagia Kap mit der gleichnamigen Kirche. Die Agios Georgios
Bucht lädt dann nach gut einer Dreiviertelstunde zum Bade ein, ein beschauliches Fleckchen, wenn man nicht permanent an den bevorstehenden etwas mühsamen Rückweg denken würde – es sei denn, man
wäre per Quad angereist, die Möglichkeit bestünde, die Straße ist längst vorhanden. Dennoch, die Ausblicke auf dem Rückweg in der nachmittäglichen Sonne entschädigen, und die gewonnene Kondition
macht sich in den nächsten Tagen dankbar bemerkbar, wenn der Muskelkater verschwunden ist. Oben erreichen wir wieder die Häuser von Ano Meria mit ihrer wirklich typisch unspektakulären
Kykladenarchitektur, wir warten bei Marias Treff ein wenig auf den Bus und erreichen die abendliche Chora rechtzeitig zum Sonnenuntergang, der auf Folégandros mindestens so spektakulär ist wie
auf der großen Schwesterinsel Santorin. Wir tippeln die Serpentinen hinauf zur Panagia Kirche, der wohl größten Sehenswürdigkeit der Insel, wo uns ein gewisser Sonnenuntergangstourismus etwas
verwundert. Aber wir zählen uns natürlich nicht dazugehörig.
Die Insel hat für uns also viele Vorteile, aber das größte Vorurteil lautet: Es gibt auf Folégandros keine Strände. Oder nur ganz wenige. Wenn man allerdings direkt am Hafen zum Beispiel in den Vardia Bay Studios wohnen würde, hätte man schon den ersten Strand vor der Tür: den Vardia Beach. Man braucht von der Anlage nur die Treppenstufen hinunter zu steigen, und schon ist man am Wasser. Oder den Chochlidia, den weißkieseligen Hafenstrand, der am Nachmittag auch bei griechischen Familien sehr beliebt ist, wegen der Tamarisken, die einigermaßen Schatten spenden. Wer hier ein paar Stunden abhängt, kann gut die ein- und auslaufenden Fähren beobachten und ist ungestört, vorausgesetzt, das nicht gerade ein Industrieschiff im Hafen entladen wird. Der Hafen ist in den letzten Jahren sturmfest gemacht worden, riesige Betonklötze verschandeln die Mole, das idyllische dahindümpeln der Fischerboote gibt es nicht mehr, ein ordentlicher Anleger wurde offenbar vergessen, und so mussten sich die Fischer mit Hilfe alter Holzpaletten den Weg zu ihren Booten selbst organisieren. Aber die beiden Badeboote Stella Express II & III sind noch gut zugänglich und bringen die badefreudigen Touristen in einer Rundfahrt um die Insel zu allen Buchten, oder (im Juni) zweimal am Tag zum Katergo Beach und zurück. Und hinunter zum Hafen kommt man natürlich von Chora mehrmals täglich mit dem Bus. Für eine kleine Wartepause ist der Hafenort Karavostasis immer gut. Wer allerdings einen kleinen Fußmarsch nicht scheut, der läuft die Küste entlang und erreicht schnell den Vitsentzou Beach, dessen farbige Attraktion letztens ein offenbar angeschwemmtes Schlauchboot war. Was aber so jetzt offenbar niemanden beunruhigt oder gestört hat. Wir gehen lieber ein paar Schritte weiter, vorbei an dem urigen Schäfer, den wir so auf dem „mondänen“ Folégandros nicht erwartet hätten, und kommen zum Livadi Beach, der uns früher vor dem damaligen Campingplatz als sehr unaufgeräumt vorkam, der aber jetzt ganz ansehnlich erscheint. Die kleine Fähre zuckelt gemächlich vorbei und sorgt für den entsprechenden Wellengang. Eine weitere Strandpartie bietet sich im Westen von Folégandros an. Der Bus fährt von Chora aus direkt bis an den Angali (Agali, Akali) Strand, allerdings sind die Rückfahrtmöglichkeiten per Bus im Juni sehr übersichtlich gehalten. Den Strand selbst würde ich mal als den einzigen Sandstrand der Insel bezeichnen. Wir laufen den Weg am Meer entlang aber weiter bis zum Nikolaos Strand und passieren die Galifos Bucht. Hier hätte man noch die Möglichkeit, eine der letzten Robinsonaden der Kykladen zu erleben, in den einfachen Unterkünften ohne Elektrizität, im Scheine der Gaslampen, aber mit eigenem Strand vor der Tür. Der Nikolaos Strand ist danach schnell erreicht, die oben liegende Taverne hat inzwischen schon gigantische Ausmaße angenommen, sie wurde nochmals weiter ausgebaut. Und auch unten am Strand gibt es inzwischen eine weitere Taverne, so dass der Strombedarf in der Bucht schon beträchtlich ist. Das ist aber für die Betreiber kein Problem, die benzinbetriebenen Stromgeneratoren laufen den ganzen Tag und beschallen die gesamte Bucht. Man muss es mögen. Der für mich einstmals schönste Strand auf Folégandros hat schwer gelitten. Also klettert doch der Kátergo Beach in unserer Rangliste wieder ganz nach oben. Wir nehmen nicht das Badeboot, sondern erreichen ihn zu Fuß von Chora aus in etwa 2 Stündchen. Dabei haben wir einen wunderbaren Blick zurück auf Chora und die Marienkirche, laufen die Straße weiter bis Petousis, von wo wir den mittlerweile gut markierten Weg nach Livadi einschlagen, der auch als Osterprozession gern genommen wird. In der recht unscheinbaren Streusiedlung Livadi zweigt dann das Monopati nach Kátergo ab, ein schöner Fußweg, der uns in einer dreiviertel Stunde bis ans Meer führt. Also auch für Motorisierte, die die Straße vom Hafen bis nach Livadi nehmen, bleibt ein Fußweg von 45 Minuten nach Kátergo nicht erspart. Aber er lohnt allemal. Hier ist die Ägäis türkis bis tiefblau, und der Kontrast zu dem hellen Kies oder grauen Sand ist schon das eine oder andere Foto wert.
Die schönste Wanderung behalten wir uns für den Schluss vor. Wir können direkt von Chora aus loslaufen, die Wanderwege führen kreuz und quer über die Insel, ermöglichen kurze Spaziergänge bis hin zu ausgedehnten Wanderungen nach Ano Meriá. So können wir auch mal ein paar faule Tage dazwischen schieben, bleiben aber immer mehr oder weniger in Bewegung. Wir gehen ein Stück aus dem Dorf heraus, an Sousi´s Hair & Nails Studio vorbei in die Landschaft. Die Stavros-Kapelle an der Straße nach Ano Meria ist schnell erreicht, leuchtend weiß, darüber wundert sich selbst der letzte Esel nicht mehr. Nur ein paar Schritte Richtung Ano Meriá, dem Schild "Christos" und "Fira" folgend, und schon sind wir in einer anderen Welt. Die alten Wanderwege sind hier noch erhalten, uns begegnet keine Menschenseele, der Blick wandert über die terrassierte Landschaft, bleibt an einigen weißen Kapellen kleben und schweift weit über das Meer. Ruhe pur. Die kurze Rast an der Christos Kapelle lässt uns ein wenig stutzen, sie ist ein wenig "über" renoviert, aber die Lage, die Lage, die Lage! Wir wandern weiter, hinunter zur Bucht von Fira. Schon nach ein paar Schritten tut sich ein Panorama auf, wie man es selten auf den Kykladen sieht. Ein steiler Weg führt hinab, wir landen wieder einmal bei einer einsamen Kapelle, legen uns auf die Wiese unter den Baum, schauen in den ewig blauen Kykladenhimmel, über das Meer, und vergessen die Zeit. So wie vor etlichen Jahren. Oder war es erst gestern? Eine unserer leichtesten Übungen auf Folégandros. Immer wieder. Zur Mittagspause lädt die Angali Bucht ein, unterhalb des Hotels Blue Sand lässt es sich in der Taverne O Psaromiligkas hervorragend entspannen. Man muss nur darauf achten, dass man hier überhaupt nochmal hoch kommt und nicht bis zum Sundowner versackt, so gemütlich ist es. Wir gehen den Weg Richtung Straße hoch, zwischen zwei Wasserstellen lassen wir Angali zurück und gehen den Weg weiter. Wie im Wanderführer von Dieter Graf beschrieben (Folégandros, Wanderung 25) pfeifen wir noch ein Liedchen. Das mach ich übrigens immer, wenn Dieter Graf es vorschreibt, das turnt uns nochmal so richtig an! Der Weg führt zum mittlerweile wieder bewohnten Weiler Georgi t´Aga mit seiner berühmten einsamen Palme. Einige Häuser dort werden offenbar wieder als Feriendomizile genutzt. Weiter führt der Weg oberhalb des Agios Nikolaos Strandes, und wir erreichen den nun wirklich verlassenen Weiler Mármaro. Unglaublich, mitten auf dem vollklimatisierten Folégandros eine Geisterstadt. Und ohne Pools! Ab jetzt geht es wieder steil aufwärts, nach Ano Meria. An der Kapelle Agia Foteini erwischt uns nun leider doch der stark gewordene Wind, so dass wir hier die Wanderung abbrechen müssen und hoch nach Ano Meria abkürzen. Hier bläst es uns richtig weg, und außerdem kennen wir die Strecke zur Livadakia Bucht und um die Nordseite von Folégandros herum schon von früheren Besuchen. Das gleiche Schicksal mit dem saustarken Wind müssen wohl auch andere Wanderer erlitten haben, und so trifft man sich bei "Mimis", in einer der drei Tavernen von Ano Meria, in Nähe der alten Mühlen.
Der Bus bringt uns sicher zurück nach Chora, und wir schlagen uns am Abend im "I Pounta" zum Abschied unseres Folégandros Aufenthalts die Bäuche voll, Rindercarpaccio von Naxos, und Artischocken in Zitronensauce. Auch so etwas hat Folégandros zu bieten. „Ja, wir werden mit unseren Gästen zusammen alt, und alles ändert sich, nur wir bleiben dieselben…“ sagt Takis ein wenig melancholisch, wobei ich ihm recht geben muss, denn mit den Besuchen in Intervallen von ein paar Jahren spüre ich diese Veränderungen vielleicht deutlicher als permanent vor Ort. Am nächsten Morgen geht es mit der Fähre nach Sikinos. Welch ein Unterschied erwartet uns dort!