Oder "Kyklade sucht Zikade".
Ja, Donousa. Der Traum meiner schlaflosen Nächte, die Sehnsucht schlechthin. Hier gibt es einfach ALLES, und was es dort nicht gibt, braucht man nicht. Oder will es nicht. Oder kennt es nicht.
Oder man hat es einfach nicht. Früher hieß sie einfach nur „Erimonisi“, grob übersetzt mit „die Insel der Entbehrten“.
Fast schon legendär sind die tollen Strände, die einsamen Buchten, die wunderbare Landschaft, die halbwilden Ziegen, die alten neuen Wanderwege, der Sound aus der Strandbar, die nackten Tatsachen
am Livadistrand, der vollgeschissene Kedros im September, das schlechte Essen in einigen Tavernen.
Was einem auf Donousa wirklich fehlt, das ist der Großstadtverkehr, die vielen Ampeln, Dönerbuden an jeder Ecke, Flaschensammler, Karneval im Sommer. Und die drei großen B: obergärige Biere,
Bundesliga und Bildzeitung. Aber sonst?
Alles tippitoppi. Trotzdem muss es immer einige geben, die da herummäkeln. Dies fehlt, das fehlt. Auch bei den Inselbewohnern. Dort fehlt es z.B. einigen an Medienpräsenz.
Müsste doch möglich sein, auch mal in der internationalen Lügenpresse vertreten zu sein, irgendwie mit irgendwas. Klimawandel wäre zum Beispiel mal was, oder Meerwasserentsalzung. Obwohl, da käme
man mit kaloin und Xristo in die Quere, dann könnten sie kein Fleur de Sel mehr ernten. Und ich muss sagen, wir hatten diesen Sommer nen prima Klimawandel und auch super Salz.
Also muss ein anderes Thema her.
Irgendwas mit Krachmachen. Das läuft immer gut auf den ruhigen Inseln. Da sehnt sich jeder nach.
Also macht sich einer auf, der auf der Insel bekannt ist wie ein bunter Hund, vielleicht auch noch den einen oder anderen Pressefuzzi kennt, der hier schon seit x-Jahren zum Urlauben hinkommt.
Und man kann es sich genau vorstellen. Sie stecken die Köpfe zusammen, sitzen im To Kyma oder bei Captain George und überlegen nach dem 12. Raki: „Irgend ein Thema muss es doch geben. Aber irgend
was zirpt hier nicht in meinem Kopf. Komisch, wenn ich auf Iraklia oder Amorgos bin, zirpt es mir immer nach dem 5. Rakomelo, hier aber nicht!“
Dass es vielleicht an der Qualität des Stöffchens liegen könnte, das auf Donousa vielleicht etwas echter und unverschnittener ist als die mit Honig aufgemischte Plörre, die sich erst seit den
1990er Jahren von Kreta und Amorgos aus in die Kykladentouristen geklebt hat, und der eigentlich heiß als Winterschnaps gedacht war, ist eine ganz andere Geschichte.
Also: es zirpt einfach nicht. Früher, als alles anders, aber nur manches besser war, sollen Alteingesessene noch das Zirpen gehört haben. Das Zirpen der Zikaden nämlich.
Das soll es heute nicht mehr geben? Kaum zu glauben! Das ist doch mal eine Story für die Weltpresse. Darauf springt sogar spiegel_online an.
Also, ich kann es wirklich nicht glauben, dass es keine Zikaden geben soll. Und dass „andere Regionen“ daher aufgefordert werden, Zikaden-Pärchen „in einer kleinen Schachtel“ nach Donousa zu
senden, ist doch wohl eher ein Witz.
Und so machen wir uns mit unseren empfindlichen Messgeräten auf den mühsamen Weg, die letzten Zikaden von Donousa aufzuspüren. Dazu nehmen wir mal wieder unseren Lieblingswanderweg Nr. 4 vom
Kedros bis zur unteren Mühle und weiter zum Livadistrand. Hier müssten doch noch welche sein!
Heiß brennt die Sonne vom Himmel, das Thermometer steigt auf über 30 Grad, aber wir scheuen weder Kosten noch Mühen, um unsere Tierchen zu finden. Es wird einem halt auf Donousa nicht gerade
leicht gemacht.
Schon 1000 Meter sind wir gewandert, und immer noch nichts. Keine Zikade weit und breit. Noch 1000 Meter mehr. Immer noch nichts. Ich denke, wir sollten lieber aufgeben, die Sache wird zu
gefährlich.
Doch dann, ein kurzer Aufschrei der Entzückung von mir „Bleib doch mal stehn“: zirp zirp zirp. Da ist sie! Die erste Zikade auf Donousa seit etlichen Jahren! Schnell das mitgebrachte
Hochleistungsmikrofon mit eingebauter Filmkamera gezückt und abgedrückt. Etwas leise, aber es hat geklappt. Doch der grüne Busch könnte überall sein. Also kein Beweis. Und sehen tut man sowieso
die Viecher selbst nicht, bei der Tarnung.
Ein weiterer Versuch muss her. Dieses Mal haben wir mehr Glück am Meer.
Direkt hinter der Mauer am Livadi, dort wo die Wildcamper wohnen, zirpt es wie Bolle.
Aber wie das beweisen? Ein Schwenk muss her! Von der Mauer zum Beach aufs Meer. Das kann nur Donoussa sein. Kein Fake möglich.
Und aller guten Dinge sind drei: Noch eine Aufnahme mit der Kato Milo im Hintergrund. Jetzt haben wir den Beweis: Es gibt sie doch, die Zikaden auf Donousa.
Mittlerweile hat das Medieninteresse offenbar angeschlagen.
Zitat Spiegel Online:
„Immerhin hat das gut hundert Einwohner zählende Eiland durch den Aufruf, der erst auf einer örtlichen Webseite gestartet und später von der überregionalen Presse aufgegriffen wurde,
internationale Bekanntheit erlangt: "Ich wurde sogar aus Südafrika kontaktiert", sagte Koukladis.“
Also, das finde ich jetzt total übertrieben und daneben, wo es doch jede Menge Zikaden auf Donousa gibt.
Aber vielleicht kann man die Hilfsaktion ja auf andere Dinge ummünzen, die es wirklich nicht auf Donousa gibt. Ich hätte da auch schon eine Idee:
Wie wär´s mit Leberwurscht?