Nikos zeigt mit dem Finger auf seine Waage: Ena kilo Gouda! Aufs Gramm genau getroffen. In seinem Supermarkt in der Chora von Amorgos decken wir uns mit Frühstücks- und Lunchproviant für die nächsten Tage ein. Nikos hat das Kilo beim Abschneiden geschätzt und liegt goldrichtig mit dem Gewicht. Niko kennen wir schon seit den ersten Besuchen hier. Damals hatte er noch einen Esel, mit dem alle Lebensmittel für den Laden die Treppenwege hochgebracht werden mussten. Heute führen versteckte kleine Fahrwege bis fast an den Supermarkt heran, mit einem kleinen Pickup ist er erreichbar.
Ja, die Chora von Amorgos ist immer noch pittoresk, kein Vergleich zu Koufonisi, von wo wir per HighSpeed 4 gerade gekommen sind. Ich bin gespannt, was sich hier auf Amorgos seit unserem letzten
Besuch vor zwei Jahren geändert hat. Nikos schon mal nicht.
Der erste Eindruck: Amorgos empfängt uns mit einem Himmel in Kodak-Blau. Hierbei kommen die farbigen Türen, Fenster und Stühle noch kräftiger zur Geltung, der Kontrast zu den alten Gemäuern und
Treppen ist noch höher.
Vom Loza Platz aus steigen wir den Treppenweg hoch zum Burgfelsen, die Tür der Kapelle oben, durch die man zur Aussichtsplattform gelangt, ist natürlich verschlossen, aber auch von der Tür aus haben wir einen tollen Blick über die wilde Landschaft, über Chora und den Hügel mit den aufgereihten alten Windmühlen.
Noch ist die Sonne nicht untergegangen, und so fahren wir nach Katapola hinunter, um nach einem Streifzug durch Xilokeratidi und einem Sundowner in der Moon Bar dann auf der anderen Seite der Bucht auf der Hafenmole von Katapola zu flanieren, einen Blick auf das wieder bewirtschaftete Preka zu werfen und am Rande im Akri beim Abendessen den Tag zu beenden. Da kommt schon ein wenig Wehmut auf, alte Bilder in Schwarz-Weiß aus „Le Grand Bleu“ werden wach, die Mole, wo die kleine Jungen immer das Tauchen übten, Zeiten zu denen noch kein Quad die Insel je gesehen hat, und keine Fußballweltmeisterschaft.
Leichte Wolken hängen am nächsten Morgen noch über der Skyline von Amorgos, trotzdem oder gerade deshalb muss die Mitrópolis Kirche unbedingt neu gestrichen werden. Und wo bei uns in der Heimat ein aufwendiges Gerüst benötigt würde, macht das hier der Jannis mit dem langen Pinsel. So einfach geht das auf Amorgos. In ein- zwei Stündchen ist alles wieder wie neu. Die Wolken verleiten uns jedoch dazu, der nordöstlichen Inselhälfte einen Besuch abzustatten, wir fahren an der kleinen Insel Nikouriá vorbei nach Langada, genießen die Ruhe und Beschaulichkeit des Ortes und genehmigen uns ein erfrischendes Bad am Strand von Egiali.
Egiali, das muss man sagen, hat in der letzten Zeit an Attraktivität gewonnen, ist in der Gunst der Besucher sicherlich gestiegen und läuft Katapola den Rang als Haupttouristenort ab. Grund dafür ist sicherlich der schöne Sandstrand hier, aber auch die jetzt endlich aufgeräumte Paralia mit vielen Cafés , Restaurants und Läden. Und als Standort für Wanderungen in die Umgebung ist Egiali ideal. Das hat natürlich zur Folge, dass der Ort noch weiter gewachsen ist, etliche Unterkünfte sind in den letzten Jahren dazugekommen.
Aber auch zurück in Chora merken wir Veränderungen. Viele Geschäfte haben ihre Besitzer gewechselt, einige Restaurants sind neu dazugekommen, alteingesessene Cafés wurden von jungen Leuten übernommen. Der alte Dimitrios am Ortseingang lebt ja schon lange nicht mehr, sein O Parvas gibt es aber weiterhin. Die Konditorei Kallisto mit den roten Fenstern und blauen Stühlen ist nach wie vor ein Garant süßer Sünden, hier hätte es übrigens auch den Schlüssel für die Kirche auf dem Burgfelsen gegeben. Im O Kastanis werden nach wie vor Chortopitakia von Hand gemacht, während nebenan schon mal für das Johannisfest musikalisch geübt wird. Im Café Kath´ odon kann man jetzt auch gepflegt essen, und wer den alten Rakómelo-Laden in Egiali vergeblich sucht, der findet ihn jetzt an der Hauptgasse in Chora.
Neuentdeckungen aber sind für uns die folgenden drei Lokale.
Auf dem Treppenweg vom Kath´ odon hinauf zum Platz mit den drei Kirchen essen wir etwas wackelig aber gut im „Apóspero“.
Und für einen Absacker danach ist die neu eröffnete „wine bar magiási“ zuständig. Von der location her auf jeden Fall unschlagbar und vom Start an gut besucht. Generell ist es abends in Chora wesentlich voller als noch vor zwei Jahren, auch Chora boomt.
Das dritte Lokal, das ich empfehlen möchte, ist das „Arbarórisa“ hinter der Post auf dem Weg zu den Windmühlen, das damit wirbt „local & organic“ zu kochen, sehr schmackhaft!
Was fehlt jetzt noch zu einem gepflegten Amorgos-Besuch? Richtig: Das Kloster Chosowiótissa mit seiner einmaligen Lage in der wilden Landschaft. Das ist schon eine Anstrengung wert. Wir verlassen Chora am nächsten Tag bei der Schule und gehen den Treppenweg hinunter bis zum Kloster und machen einen Ausflug die Küste entlang.
Ja, Chora und die Bucht von Katapola sind schon eine Reise wert, auch wenn die Bademöglichkeiten hier doch eher begrenzt erscheinen. Dennoch, Amorgos ist und bleibt eine meiner Lieblingsinseln. Und noch ein Zitat fällt mir zum Ende dieses kleinen Berichts ein. Ein Zitat, das der große Auslandskorrespondent Gerd Ruge einmal über China geäußert hat, das meines Erachtens aber auch auf Amorgos zutreffend sein könnte: „Wer zwei Tage hier war, der schreibt ein Buch, wer zwei Wochen hier war, der schreibt eine Postkarte, wer zwei Jahre hier war, der schreibt eine SMS“. Gut, meine Postkarte nach Deutschland ist gerade im Kasten. Ja, da fällt der Abschied schon sehr schwer.