Vorsicht, das Kykladenfieber kann sehr ansteckend sein.
Die erste Reise nach Griechenland führte mich 1979 mit meinem VW-Bulli vom italienischen Otranto mit der Fähre nach Igoumenitsa (ja, diese Fährverbindung gab es damals noch), und weiter über das gesamte griechische Festland, von Nord nach Süd, von West nach Ost, und später sogar über Alexandroupolis bis nach Istanbul. Dennoch hatte ich eigentlich nie das gefunden, was ich gesucht und erst ab 1981 auf den Kykladen für mich entdeckt habe.
Diese Mischung aus weißen Kubenhäusern, dem klaren Licht mit dem wie leergefegten blauen Himmel, dem kristallklaren Wasser der Ägäis, der Gelassenheit der Griechen, der Kargheit und Klarheit der
Landschaft und dem internationalen jungen Reisepublikum, von Junghippies bis zu den Altgebliebenen – oder umgekehrt, das macht es wohl aus - das Kykladenfieber, das mich jedes Jahr wieder packt.
Damals waren die Kykladen noch ein Dorado der Backpacker. Was heute die jungen Leute nach Südostasien zieht, das zog uns nach Griechenland. Als Jugendlicher auf den warmen Holzplanken der
Miaoulis oder Marianna liegend auf dem Weg nach Amorgós in einem Pulk von Schlafsäcken und Gleichgesinnten in den Himmel schauend, blinzelnd ob die Masten der alten Schiffe im Frühling wirklich
noch einmal Knospen treiben – so wie Kazantzakis es beschrieben hat - und Kontakte knüpfend, das kam schon meinem Idealbild vom Urlaub ziemlich nahe.
Neugierig durch die weißen Gassen von Paros laufend, angelockt von Pianoklängen des Keith Jarrett Köln Concerts, das aus dem Innern meiner Traumhäuser schwebte und einen ganz bestimmten Zauber
auf die Szene legte. Das war es, das Kykladenfeeling, das ich oft in meinen Träumen erahnt hatte und das nun Wirklichkeit wurde. Paros, Naxos, Ios, Mykonos und Santorini, das waren die ersten
Inseln.
Dann immer weiter die Grenzen auslotend, immer kleinere Inseln und Dörfer entdeckend, mit Folegandros, Anafi, Schinoussa, Iraklia, Donousa, Koufonissia, den Horizont erweiternd. Mit den Fischern
von Serifos im Hafen um die Wette saufend, den raubeinigen Gesellen, die es aber nur auf die Mädels abgesehen hatten, der kürzeste Blickkontakt brachte Ouzo, Metaxa und Kourtaki - hin und her –
bis einer besoffen aufgab.
Und immer wieder die Abgrenzung zu jenen Landsleuten, die griechischer als die Griechen sein wollten, sich mit uns normalen Touristen nicht abgeben wollten, Arroganz pur. Obwohl, ich hatte keine
Ahnung, es hat schon etwas gedauert bis ich durch meine griechischen Sprachkenntnisse begriff, warum die Griechen vor ihren Hunden stehend „Katze, katze“ riefen, als wollten sie sie
umerziehen.
Heute einfach als ganz normaler Tourist reisend, das größte Kompliment genießend, wenn die Griechen mit zwei Fingern ihrer Hand erst auf ihre Augen und dann auf mich deuten, versonnen auf den
Boden blickend und am Kopf kratzend: „Ja, ich hab dich hier schon mal gesehen, das ist lange her.“ Denn meinen Namen können sie sich kaum merken, es sind auch einfach zu viele unaussprechliche
Touristen in einem Land, in dem die Männer Jorgos, Jannis oder Kostas heißen.
Und das ist das Geheimnis: die immer neue Wiederholung. Nicht in fünf Tagen lernst du sie kennen, sondern in zehn mal fünf. Nicht die Anzahl der besuchten Inseln zählt, sondern die Intensität.
Sie kommt nur mit der Zeit. Ganz automatisch.
Als ich nach Jahren den alten Lehrer Herrn Troullos auf Sífnos in Apollonía besuchte, um mal wieder in seiner „Villa Troullos“ zu übernachten (dort, wo ich zum ersten Mal einen Skorpion unter dem
Bett fand), fragte er ganz perplex: „Wo bist du denn gewesen, in der Zwischenzeit, warst du ein paar Tage im Hafen?“ Ich log einfach „Ja.“
„Die Ägäis zu bereisen im Frühling…, ich habe mir das Paradies nie anders vorstellen können.“ (Nikos Kazantzakis)