Kykladen-Plädoyer 2024

Was ist das faszinierende an einer Kykladenreise, und warum wächst die Anzahl der Besucher auf den griechischen Inseln von Jahr zu Jahr immer mehr?

Ist es das Eintauchen in die kykladische Landschaft, das längst verlernte Einssein mit der Natur, mit der Landschaft, mit der Ägäis?

Das Gefühl der Geborgenheit auf einer Insel, Geborgenheit, die uns heute in unserer Welt abhanden gekommen ist?

Oder ist es die Freundlichkeit der Griechen und auch der Mittouristen, das Fehlen der Aggressivität, der Ruppigkeit und des immer größer werdenden Egoismus bei uns?

 

Ja, wir haben es zu Hause schwer, die Nachrichten sind voll geladen, überall gibt es Probleme, Kriege, Pandemien, Schwierigkeiten. Das alles scheint auf den Kykladen ganz weit weg zu sein, oder erscheint nur kurz, wenn wir den griechischen Fernseher anmachen, aber zum Glück den Kommentator nicht verstehen. Klar haben die Kykladen auch riesige Probleme: Overtourism, Trinkwasser, Abfall, Verkehr und Umwelt. Dann schauen wir doch lieber die ewig langen Talkrunden auf den Fährenfernsehern mit den ewig blondierten Moderatorinnen und ihren Live-Schalten zum Strand von Mykonos, wo gerade der neueste Cocktail gemixt wird – Cycladic Blue,TNT oder Ouzo Cocktail.

 

Das Gefühl, sinnvoll da zu sein, wenn auch in einer Blase, für eine gewisse Zeit, das ist es. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und meine neueste Erfahrung ist: man gewöhnt sich an alles, sogar an sich selbst, spätestens nach zwei Wochen wird man auch mit schwierigen Situationen fertig. Meist sind es die Menschen in der neuen Umgebung, die überraschend dabei helfen. So werden die Bedenken vor der Reise zur Makulatur. Wir müssen die Neugier auf alles Neue behalten, auf Schwierigkeiten, auf neue Begegnungen, oder alles das wieder lernen, was uns im Laufe des Lebens abhanden gekommen ist. (Das sagt einer, der immer wieder dieselben Inseln besucht ;-)

 

Die althergebrachten Urlaubskonzepte funktionieren nicht mehr, zwei Wochen Mallorca pauschal im Grand Plaza-Hotel haben ausgedient. Na gut, manch ein Unverbesserlicher reserviert nun am frühen Morgen seinen Liegeplatz am Livadi-Strand oder am Pensions-Pool mit seinem Handtuch, aber Individualität ist jetzt gefragt, Individualität, die uns das Internet ermöglicht, oder wenigstens Sorgenfreiheit vorgibt. Und Instagram/Facebook tun ein Übriges. So ist bereits ein großer Heirats-Event-Markt auf Santorini und Mykonos entstanden, aber auch auf den kleinsten Inseln, die Hochzeitspaare kommen aus der ganzen Welt angereist und blockieren oft sämtliche Unterkünfte für eine Woche im Mai oder Juni. Sich selbst zu produzieren und sich in der blau-weißen Kykladenlandschaft ablichten zu lassen, nach dem Motto: „Wer ist der/die Schönste? Schaut einmal, in welchen Welten ich lebe!“, der Bedarf ist schon groß und wurde von mir völlig unterschätzt.

 

Was war es früher doch schwierig, ohne Buchungsportale und ohne Fährenfahrpläne die Kykladen zu bereisen! Und manches Mal würde ich mir heimlich wünschen, dass das Internet nur mal kurz unterwegs ausfällt, so für ein bis zwei Wochen, denn dann würden die jungen Digital Natives vielleicht verstehen, warum die Kykladen bis in die 90er Jahre wenig besuchte Inseln waren, einige sogar "Die Verlassenen" genannt wurden, weil die Anzahl der Bewohner stetig sank, wo wir noch in den 80ern oft wenig zu Essen bekamen, außer Bohnen und Greek Salad - aber ohne Feta, obwohl wir keine Veganer waren, und ich dachte damals, ein wenig Werbung für diese arme Inselwelt täte beiden gut, den Einheimischen und uns ahnungslosen Touristen, diesen Inseln, die heute boomen, und die nach wie vor bewohnt und bewirtschaftet werden, von Menschen, die sich selbst treu bleiben und gleichzeitig uns Mitmenschen und unsere Werte respektieren, die durch die vielen Entbehrungen in der Vergangenheit heute gestärkt sind und genau wissen, wie schwer das Leben war, und jedes Fest, jede Hochzeit, jeder Tanz, Ostern und Mariä Himmelfahrt die Highlights des Jahres waren und sind, an denen die Musik aufspielt, man in großer Runde die Nähe sucht, sich an den Armen fasst und alles aus der Seele tanzt, das Leben und Essen gerne auch mit uns Touristen teilt.

 

Wir sind auf den Kykladen nie allein, oder nur, wenn wir es sein wollen und uns selbst und die innere Ruhe, Resilienz und seelische Kraft suchen. Denn das ist der Sinn des Lebens: Genieße das Leben und trage dein Wissen weiter, solange du kannst, auch auf den geliebten Kykladen. Die nächste Reise kann kommen, für 2024 ist sie bereits gebucht.

 

Σήμερα είναι ζωή, το αύριο δεν έρχεται ποτέ.

 

 

RICHIS KYKLADENFIEBER