Sivas Tavernen - Okt. 2018

Nach meinen oberflächlichen Recherchen bin ich ja davon ausgegangen, dass Sivas so etwas wie ein noch unentdecktes verschlafenes Örtchen weitab der Küste ist, in dem es noch die ursprüngliche kretische Küche in einer guten Tavernen gibt, und diese Taverne trägt den Namen Sigelakis, sie gehört unserem Vermieter.
Diese Vorstellung entpuppt sich vor Ort als ganz schön kretablauäugig. Denn wie anfangs schon beschrieben finden wir an der Hauptkreuzung, die ich jetzt mal missverständlicher Weise Platia nenne, noch weitere drei Tavernen, nämlich Taverna Sofias, Taverna Vafis Aposperiada und Taverna Karalis, wobei wir in der letzteren jedoch nie einen Menschen gesehen haben. Alle übrigens in lateinischen Buchstaben geschrieben auf ihren Tavernenschildern. Daneben gibt es noch ein Kafenion sowie auf der Ecke die „Kafe-Ouzeri O Giorgis tis´Apostolenas“, natürlich traditionell, diesmal in griechischen Buchstaben. Die Schautafeln dort lassen eine Psistariá, also eine Grillstube vermuten. Und außerdem erhalten wir noch von Anna aus dem Café Europa den Tipp, dass es noch am Ortsrand Richtung Kamilari eine fünfte Taverne gibt, nämlich das „Avli tou Kosta“, das aber unmissverständlicher Weise überall mit „Avli of Kostas“ ausgeschildert ist. Wenn man nur wüsste, was ein Avli ist! Egal. Hier soll es auf dem Hof sogar an manchen Tagen Livemusik geben.

Nun, die Versorgung für unsere Abende scheint also gesichert, und so entscheiden wir uns, die verlockenden Tavernen in Kamilari oder Pitsidia erst gar nicht aufzusuchen, sondern uns in Fußnähe zu ernähren, beginnend bei unserem Vermieter Georgios in der Taverne Sigelakis. Sie liegt direkt neben dem Café Europa, oder besser gesagt das kleine Café liegt direkt neben der Taverne an der Durchgangsstraße, hat einen gemütlichen Innenraum mit unzähligen internationalen aber leeren Bierflaschen als Sammlung an der Wand (ja – Kölsch gehört auch dazu), und ein paar Tische an der Straße als Außengastronomie.   
Georgios selbst ist der Kneipier, hat seine Leute in der Küche und im Service, er bedient die Kasse und hat alles im Blick. Sehr gemütlich hier, und das Essen ist auch lecker, wir genießen nach den Austernpilzen und dem Kaninchenstifado am Ankunftstag am zweiten Besuch einen gemischten Salat mit Rote Bete, Dakos und Joghurtdressing (das der Kellner uns als Mayonaise verkauft), gegrillte (halbe) Wachteln und ein etwas zu grobes Fava, alles sehr schmackhaft bei leicht gehobenen Preisen.

Unser nächstes Restaurant ist der „Avli of Kostas“ am Ortsrand mit schönem Blick in die Ebene – wenn es noch hell wäre. Das ist es Ende Oktober am Abend leider nicht, und so funkeln uns nur noch ein paar Lichter aus der Ferne zu, genauso wie das helle BERLIN Bier von 1516, von dem ich bis heute noch nichts gehört hatte, bzw. getrunken. Kostas ist ein Netter, macht den Service selbst, spricht natürlich fließend Deutsch, hat lange in Österreich und Deutschland gelebt und gearbeitet, zum Beispiel auch in Düsseldorf, wie er erzählt. Er ist sehr ambitioniert, und so sind wir auch nicht überrascht, dass die Speisekarte auf das deutsche Publikum ausgerichtet ist. Die gegrillte Schweinshaxe ist jedenfalls kross und vorzüglich, so gut habe ich sie noch nie gegessen (obwohl, ich hab sie eigentlich noch nirgendwo gegessen). Aber auch die frisch gemachte Gemüselasagne und die Papoutsakia (gefüllte Augerginen) sind sehr gut gelungen und schmackhaft, so dass wir nach zweimaligem Besuch den Hof von Kostas zum Nr. 1 Lokal von Sivas wählen, nur um das schon mal vorweg zu nehmen.

Wenden wir uns nun den Tavernen am Hauptplatz zu, allesamt haben sie Schiefertafeln vor der Tür, mal auf Englisch, mal auf Deutsch, aber das Speisenangebot scheint sich nicht groß zu unterscheiden, Artischocken in Lemonsauce scheint der Renner zu sein, Zicklein in Sauce, Mousaka. Große Vorschusslorbeeren hatte bei uns auch das Vafis Aposperida, jedenfalls eilt dem Lokal der Ruf voraus, echt paradosiakos – traditionell zu kochen, was wir gerne probieren möchten. Mittlerweile hat ja fast jede Taverne in Sivas eine Homepage oder einen Youtube-Beitrag, so auch das Vafis Aposperidis.
Aber ich muss sagen, leider habe ich weder den Besitzer Giorgos noch die entsprechenden Kellner aus dem Video bei unseren Besuchen gesehen. Die Kellner wurden wahrscheinlich saisonmäßig schon ausgetauscht, und Giorgos wird wohl in der Küche stehen. Trotzdem waren unsere Besuche dort sehr nett. Das Restaurant ist groß, und die Platzwahl kein Problem. Der Kellner fragt, ob er uns auf Deutsch oder Griechisch beraten dürfe, ich fordere mein Griechisch heraus und lasse mir die Speisenkarte rauf und runter beten, kann mir aber bei der Fülle der Speisen nur die Hälfte merken, will mir aber keine Blöße geben und bestelle: „Für mich bitte das Lamm in Zitrone“. Er antwortet knapp auf Deutsch: „Das habe ich nicht“. Punkt. Und er denkt sich wahrscheinlich: „Der Blödmann versteht gar kein Griechisch, aber mich hier labern lassen!“
Tatsächlich hatte ich doch die gefüllten Artischocken in Zitronensauce und das Lamm in Tomatensauce durcheinandergebracht. Peinlich, peinlich. Also bestellen wir einen schönen gemischten Salat mit Walnüssen und Granatapfelkernen, die hängen hier ja an jedem zweiten Baum. Dann Ziege in Tomatensauce sowie Fischfilet, und beim zweiten Besuch ein Mörderbifteki und wunderbares Kleftiko, diesmal nicht in Pergamentpapier eingewickelt, sondern im Filoteig, empfehlenswert! Ein bisschen nervig finde ich mittlerweile die Unsitte, alle Gerichte mit den gleichen Beilagen zu servieren. Wenn es ganz schlimm kommt, gibt es Fritten, Reis und ein bisschen Salat, zu jeder Bestellung. Na ja, und Kuchen, Früchte und Raki gibt´s wie fast überall aufs Haus, denn die Konkurrenz schläft nicht.

Unser letztes Lokal ist die Taverna Sofia, oder auch Sactouris & Sofia, direkt neben dem Vafis gelegen. Sofia ist in Deutschland aufgewachsen, daher ist es auch hier nicht verwunderlich, dass die Menütafel auf Deutsch angeschrieben steht. Eine kurze Recherche bei Tpripadvisor zeigt, dass sich die Speisenauswahl über gewisse Zeiträume wohl kaum ändert, von saisonalen Produkten ist wenig zu sehen, und so wundert es dann auch kaum, dass auf dem gemischten Salat dieses Mal die Granatapfelkerne fehlen. Sofia - die den Service leitet - bemerkt erstaunt, dass diese ja wohl zur Zeit nicht reif wären. Offenbar lebt sie immer noch in der Hochsommersaison, während die Granatapfelbäume rundherum knallrot leuchten. Dieses Mal lassen wir uns die gefüllten Artischocken nicht entgehen, und eine Dorade muss auch dran glauben, schon weil wir die Bekanntschaft mit der Hauskatze machen wollen – aber nicht füttern.

Den Raki zum Schluss gibt es in einer putzigen Nuckelflasche und dem Kuchen fehlt dieses Mal das obligatorische Obst, alles in allem eher durchschnittliche Touristenküche. Irgendwie hatte ich mir von der traditionellen kretischen Küche ein wenig mehr versprochen, aber meine Erwartungen waren wohl etwas zu hoch, oder wir haben nicht die richtigen Lokale gefunden. Das wäre ja mal ein Grund fürs Wiederkommen.


RICHIS KYKLADENFIEBER