Eigentlich hatte ich für meine erste Reise nach Kreta nicht viel erhofft, schon gar nichts befürchtet, ich war da völlig frei. Denn man muss ja auch mal über den Tellerrand der Kykladen hinweg
gucken. Und ich hatte von der Magie Kretas schon so viel gehört, so dass ich gespannt war, ob sie auch mich packen würde, oder ob Kreta nicht wirklich überbewertet wird.
Den Wahlspruch von Nikos Kazantzakis, dem großen kretischen Schriftsteller, hatte ich mir schon lange hinter die Ohren geschrieben, und am liebsten hätte ich das Grab in Iraklio auch aufgesucht,
wo die Inschrift lautet:
„Ich erhoffe nichts. Ich befürchte nichts. Ich bin frei.“
Obwohl ich bei solchen Sprüchen immer etwas skeptisch bin. Das scheint mir eher wie das Pfeifen im Walde. Wer so etwas vor sich herpfeift, der hat - glaub ich - ganz schön hohe Erwartungen,
einige Befürchtungen und fühlt sich vielleicht doch nicht so frei. Egal. Das mit Iraklio hat nicht geklappt, denn unser Flieger landet in Chaniá. Wir nehmen unseren Mietwagen in Empfang und
machen uns auf den Weg zum Nefeli Hotel mitten in der Stadt, wir werden die Nacht dort verbringen und uns am nächsten Morgen auf den Weg in den Süden Zentralkretas machen, wo wir in einem kleinen
Ort für die nächsten sieben Tage eine Unterkunft gebucht haben.
Google Maps macht´s möglich, wir finden das Hotel recht leicht, jedoch entpuppt sich die „ruhige Seitenstraße“ als eine der Hauptverkehrsadern durch Chaniá, zumindest am Abend sind wir hier in
der Rush Hour, und von freien Parkplätzen kann man nur träumen. Aber die Zimmer liegen ruhig, und die Altstadt mit dem venezianischen Hafen ist in ein paar Minuten zu Fuß erreichbar.
Erstaunlich, wieviel hier am frühen Abend los ist, fast die ganze Stadt ist auf den Beinen. Die Lokale an der Paralia des alten Hafens sind gut besucht, Gyros & Grill an jeder Ecke, die Kellner versuchen die Gäste ins Lokal zu kobern. Alles ein bißchen over hier. Das hätte ich nicht erwartet vom ursprünglichen Kreta. Wobei Chaniá ja noch eine der schönsten Städte Kretas sein soll.
Wir ziehen uns etwas zurück, in eine Taverne neben der Kirche Panagia Trimartyri, ins "Apovrado" mit gut bürgerlicher Küche bei angemessenen Preisen. Das Lokal ist jetzt nicht ganz untouristisch,
der Wirt spricht Deutsch, was mich ein wenig stutzig macht, jedoch das soll der rote Faden dieser Reise werden. Und hier in Chaniá, bei Choriatiki, Mousakás und dem obligatorischen Rakí höre ich
am Nebentisch den Schlüsselsatz, dem Kellner zugesäuselt, auf den ich mich schon lange gefreut habe: „Ach weißt du, wenn ich nach Kreta komme, das ist für mich wie nach Hause kommen.“
Ja, aber warum antwortet der Kellner nur mit Schweigen, und hat er sich nicht gerade abgewandt und die Augen verdreht? Merkwürdig!
Ich jedenfalls bin gespannt auf den Süden und den Ort Sivas.