„Sie können die linke Kühlschranktür öffnen“ sagte er in perfektem Deutsch, der Ladenbesitzer des „Geniki Agora“ Supermarktes in Christos Raches, als wir vergeblich versuchten aus der verschlossenen rechten Tür des Kühlschranks ein Getränk zu nehmen.
Oh, woher er denn so gut Deutsch spreche?
Und dann erzählte uns Herr Fakaros, dreißig Jahre habe er in Köln gelebt, am Chlodwigplatz, genau dort, wo auch ich zur selben Zeit in den 70er Jahren gewohnt hatte. Er hat zuerst in einer
Kranfabrik gearbeitet, dann in der Gastronomie in der Kölner Südstadt, würde mich jetzt nicht wundern, wenn ich bei ihm damals zu Gast gewesen wäre, ist dann nach Frechen gezogen und hat einen
griechischen Imbiss aufgemacht, gegenüber der Post, genau dort, wo ich jahrelang mein Büro hatte und meine Pakete abgeholt habe. Umso größer war das Erstaunen und die Freude, als er erfuhr, dass
auch wir aus Köln kommen und wir uns damals wahrscheinlich begegnet sind. So klein ist die Welt. Jetzt hat er das familieneigene Geschäft übernommen, führt den Laden sehr aufgeräumt und
übersichtlich, während sich sein Sohn um die Sunshine Studios in Nas kümmert.
Gut zwei Stunden sind wir von Nas aus die Erdpiste hoch nach Christos Raches gelaufen, mit dem Auto nur per Allrad zu empfehlen, me ta podia immer bergauf, haben die Bucht von Nas unter uns gelassen und eine sehr abwechslungsreiche Landschaft und Natur erlebt, entlang der Chalaris-Schlucht (das Flüsschen führte wirklich sehr wenig Wasser, ein „Wasserfall“ war nicht zu erkennen), dann hoch durch Kiefern, einsame Gebiete, bis die Tomatenplantagen vor Ag. Dimitrios wieder auf menschliche Ansiedlungen schließen ließen, und wo der Platz um die Taverne O Platanos zur ersten Rast einludt, ein beschauliches Fleckchen.
Wir waren schon spät dran, und man munkelt ja, dass in Christos Raches ab Mittag die Bürgersteige hochgeklappt werden, und so verschoben wir die Pause. Gut dreißig Minuten geht man dann doch noch bis nach Raches, der Weg zieht sich, vorbei an etlichen Wasserverteilern, der Panagia Kapelle, Tankstelle und Supermarkt, bis uns die monumentalen Felsentore des Ortes zum Durchschreiten einladen.
Viele Stühle sind schon (oder noch) hochgeklappt, und so steuern wir nach dem Supermarkt von Herrn Fakaros den kleinen Laden der Frauenkooperative von Christos Raches an, wo wir noch die letzten Stücke Pizza ergattern, dazu selbstgemachte Zitronenlimonade, serviert diesmal von einer echten Schwäbin.
Ja, man spricht Deutsch in Raches, und da hätte es nur noch gefehlt, dass wir auch die Schweizerin Ursula Kastanias in ihrem Laden angetroffen hätten, aber sie war leider wohl unterwegs, vielleicht mit ihrem Tanzkurs, der ja zur Zeit unseres Besuches in Armenistis statt fand.
Wir streifen durchs Dorf, die Parlamentswahl Sept. 2015 steht bevor, und so sind viele Wahlplakate präsent, zumal ja Ikaria die Hochburg der Kommunisten ist. Im Nachhinein erfahre ich, dass die K.K.E, die „Kommounistiko Komma Elladas“ auf Ikaria mit 33,20 % als die stärkste Partei abgeschnitten hat, Syriza bekommt 26,43 %.
Unzählige Läden bieten ihre Waren an, viele Angebote sind nur auf Griechisch angeschlagen, und so ist es eine kleine Lektion, herauszufinden, was es hier eigentlich gibt. Produkte aus der Umgebung, vom Biohonig über Oliven, Fleisch, Gemüse, Klamotten bis zum Fastfood im „Asterix“.
Ja, ein wenig kommen wir uns vor wie in dem kleinen gallischen Dorf, fehlt nur noch der Idefix. Der wird doch wohl nicht als Fellrucksack auf dem Motorradtank gelandet sein?
Ja, die Ikarier sind schon ein eigenes Völkchen. Generell sind mir die etwas unkonventionellen Beschilderungen auf Ikaria aufgefallen, von eigenwilliger Streetart bis hin zu ominösen Datumsangaben auf Partyplakaten.
Wir jedenfalls machen uns auf demselben Weg wieder zurück an die Küste, warten nicht darauf, dass Christos Raches am Abend aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, und verbringen einen wunderschönen Abend in der Taverne Delfini in Armenistis.
Ja, Armenistis ist noch eine Besuch wert.